Irgendwann in dieser Zeit, da ich auf der Bahnstraße in diesem Loch wohnte, ja hauste, und auf dem besten Wege war ein ganz gewöhnlicher Junkie zu werden, als ich mich in einer Phase der Transformation in eine noch tiefere Daseinsform befand, gab es dennoch Erlebnisse, die wie letzte Funken meines früheren Daseins, als Posterboy und Held des Nachtlebens erschienen. Damit hatte ich ja eigentlich nichts mehr zu tun. Das war ein anderer Mensch gewesen, den ich schon so gut wie vergessen hatte. Die folgende Episode passte so gar nicht ins Bild, aber dennoch ereignete sie sich. Ich begriff es selbst nicht. Mein Sexleben war eigentlich im Heroinrausch schon eingeschlafen. Der Gedanke an Sex kam gar nicht mehr auf.
Da gab es eine wunderschöne Halbkoreanerin mit einer fabulösen Figur. Das war vielleicht ein Wesen! Sie war eine flesichgewordene Männerphantasie. Eine wunderschöne, blutjunge Frau aus einem guten Hause, die, soweit ich weiß, einen Einserschnitt in der Schule hatte und in ihrer Freizeit Piano spielte und koreanisches Ballett tanzte. Also sie war wirklich toll, eine edle Porzellan-Figur, ein exotisches, intelligentes und gepflegtes Mädchen und ein Geschoss vor dem Herrn. Für mich eine Zehn von Zehn. Sie war einfach schön. Sie hatte diese eurasischen Mandelaugen. Ich fand, dass sie ein perfektes, atemberaubendes Weib war. Ihr Körper war durch das ständige Ballett in optimaler Form, ihre Fesseln und Waden waren stramm und glänzten wie Seide. Mein Gott, sie war unfassbar hübsch und sie hatte diese idealen, großen, schönen Titten. Brüste wie auf dem Reißbrett entworfen. Ein Hauptgewinn. Ein Diamant. Solch ein edles Wesen wäre für mich in meinem versifften Zustand normalerweise unerreichbar gewesen.
Ich dachte eigentlich gar nicht mehr groß an Frauen, denn das Heroin hatte neben diversen anderen Körperfunktionen, auch meine Lust auf Sex abgetötet. Es war mir scheißegal geworden. Ich war entspannt.
Manchmal ist es aber so, dass blitzsaubere Mädchen aus gutem Hause, einen Drang haben sich den „Bad boys“ zuzuwenden. Vielleicht tun sie das, um den strengen Eltern etwas auszuwischen, ich weiß es nicht. Es ist mir unbegreiflich, warum sie etwas von mir wollte. Jedenfalls musste ich dem lieben Gott dafür danken!
Jedenfalls steckte in meinem Briefkasten, am dreckigen Tor des Hinterhofes, eine schöne Rose und eine Nachricht. Ich konnte es kaum glauben. Ich kam von irgendwo her und fand in dem grauen Dreck an dem schäbigen Holztor, in dem Briefschlitz, eine rote, langstielige, elegante Rose. Sie war der einzige Farbfleck auf der ganzen verdammten Straße. Es war eine blutrote Nachricht aus einer anderen Welt.
Das ganze war absolut unwirklich und ein sehr seltener und deswegen ein umso köstlicherer Glücksfall. Ein Geschenk des Schicksals. Einmal bug sie mir einen Schokoladenkuchen und legte ihn vor dem versifften Tor meines dreckigen Hinterhofes ab, weil ich wohl wieder nicht zuhause gewesen war, als sie ihn gebracht hatte. Ihre süße Tat stand in krassem Widerspruch zu meinem sonstigen Alltag. Mitten in meinem abgefuckten Alltag lag dieser süße, herzzerreißende Kuchen. Solcherlei Dinge gab es sonst nicht mehr in meinem Leben: Weiblichkeit, Schönheit, Süße.
Irgendwann, als ich besoffen im „Schlachthof“ tanzte, einer Musikkneipe direkt um die Ecke, klingelte mein Handy. Es war noch so ein Nokia, ein Steinzeithandy. Das kleine Display leuchtete grünlich auf und da war sie dran. „Warte ich kann Dich nicht verstehen…“ Ich torkelte zwischen verschwitzten Betrunkenen hindurch und schob mich auf die Straße.
„Hast Du Bock zu mir zu kommen?“ fragte ihre Engelsstimme aus dem winzigen Hörer. Und ich hatte. Also ging ich nachts zu ihr und warf unterwegs meine Spritze und den Löffel in ein Gebüsch. Ich dachte, das gehört sich nicht mit ner Pumpe in der Tasche zu einem so schönen Mädchen zu gehen. Später habe ich es bereut, dass ich die Spritze weggeworfen hatte, denn sie hatte Koks da.
Also zog ich mir eine fette Nase und dann zogen wir uns aus und vereinigten uns, in völligem, gegenseitigen Einvernehmen. Ich habe es aus vollen Zügen genossen. Kokain machte mich immer notgeil. Sie war zu gut, um wahr zu sein. Ich betrank mich an ihrer Schönheit. Wir liebten uns die ganze Nacht… Wir kamen und taten es wieder. Es hörte nicht auf. Wir küssten uns leidenschaftlich. Es lebe das koreanische Ballett, es lebe die Völkerverständigung, es lebe das Universum, welches mir dieses wundervolle Geschöpf geschickt hatte!
Wir wollten am nächsten Morgen mit dem Bus in die Stadt fahren und eine Freundin von ihr besuchen, die im Sonnenstudio arbeitete. Aber irgendwie konnten wir die Finger nicht voneinander lassen. Wir gingen erst einmal duschen. Und wie hoch und weit sie ihre Beine spreizen konnte! Ich sehe noch heute diese schönen Szenen vor mir. Ein Edelporno. Ihre Mandelaugen hinter dem Dampf der heißen Dusche und ihre dicken schwarzen Haare, die in ihrem Gesicht klebten, die Wassertropfen, die an ihren Kurven hinabrollten, all das war wie in einem Film.
Und so verpassten wir einen Bus nach dem anderen, weil wir uns wieder auszogen, nachdem wir uns gerade angezogen hatten. Es war so einfach mit ihr, so süß. „Naja, der Bus ist jetzt auch wieder weg!“ lachte sie. Es war wundervoll. Sie war einfach so schön, so magnetisch, so sündhaft und verführerisch. Wir kamen nicht voneinander los.
Ich erinnere mich sehr genau daran, wie sie um ihren Mund herum von meinem Bart ganz rot gescheuert war. Wir hatten über Stunden geknutscht. Dieses Mädchen hatte mich glücklich gemacht.
Und als wir dann doch noch irgendwie, am späten Nachmittag, in dem Sonnenstudio ankamen, sah ich diese Freundin von ihr und sie war auch wunderschön und blutjung. Sie kam um eine Ecke geschossen und da stand sie. Ich weiß nicht, was in diesen Tagen los war, aber irgendwie ergab sich, dass ich mich kurz entschlossen auch mit diesem schönen Kind verabredete.
Geduscht und gestylt stand ich also ein paar Tage später vor der Tür dieser Sonnenbank-Freundin. Sie öffnete süß und hübsch und leuchtete aus großen Augen. Sie lebte noch bei ihren Eltern und hatte ein Zimmerchen im Souterrain. Ein kleiner, halbdunkler Raum war das. Viel mehr, als ihr antikes Bettgestell und ein großer Kleiderschrank passten gar nicht unbedingt hinein. Also setzte ich mich auf das Bett und dann ging alles wie von selbst. Sie war wirklich schön, fand ich. Ihr Körper war seidig und glatt und ihre Kurven und Linien verliefen stromlinienförmig, als wären sie im Windkanal getestet worden. Und dann dieser prachtvolle, satte Busen, ohne den es für mich nicht zu gehen schien. Das Mädchen war perfekt. Sündhaft schön. Sie war geschmeidig und glatt wie Seide. Und so passierte es, dass ich mich in dieses hübsche Kind verliebte.
Dieses Sonnenbankmädchen war eine ganz besondere Marke. Sie war noch viel jünger, als ich es gedacht hatte. Sie gestand mir, dass sie erst 16 Jahre war. Dafür war sie doch schon sehr frühreif und weit entwickelt. Sie ging in die Clubs und feierte und wirkte eher wie Anfang Zwanzig auf mich. Auch den Drogen war sie nicht abgeneigt und ich fand schnell heraus, dass sie ganz schön krass unterwegs war. Ein wildes, junges, unfassbar hübsches Mädchen, mit richtig PS unter der Haube.
Sie fragte mich, ob ich was dabei hätte und ich zögerte. „Das ist kein Spaß!“ sagte ich zu ihr. Aber als sie mir erklärte, dass sie schön öfter mit ihrem Ex-Freund genascht hatte, gab ich schließlich nach und wir rauchten ein paar Bahnen.
Da lag ich also in dem Kellerräumchen zwischen lauter weichen Kissen, Kuscheltieren und Decken und neben mir dieses braungebrannte, glatte, seidenweiche Mädchen und ich verliebte mich, während ich wieder so weich, feucht und angenehm in sie glitt und dabei so tief in ihre großen, schönen Augen sah.
In ihrem Zimmerchen auf dem alten geschwungenen Metallbett küssten wir uns und ich war für ein paar Stunden sehr zufrieden, aber dann stellte ich schnell, viel zu schnell, fest, dass sie durchaus ihre Launen und Stimmungsschwankungen haben konnte. Nach ein paar heftigen Tagen mit ihr, wollte sie dann ganz plötzlich nicht mehr. Es waren die Stimmungsschwankungen eines sehr jungen Mädchens, das mit sich selbst uneins war, das noch nicht mal die Pubertät richtig hinter sich hatte.
Sie hatte einfach keine Lust mehr, wie eine Katze, die sich erst streicheln lässt und dann blitzartig die Krallen ausfährt. Sie wandte sich plötzlich ab. Es war eine Minutensache. „Ne, doch nicht!“ So ging ich wieder, hatte aber irgendwie einen Pfeil im Rücken. Es tat mir sehr weh, da war von meiner Seite aus viel Gefühl drin. Aber gegen Herzschmerz hatte ich ja meine Medizin. Ich konnte das abtöten. Kein Problem. Aber das sollte es noch nicht gewesen sein mit ihr. Nennen wir diese fatale Schönheit „Sunny“, abgeleitet von Sonnenbankmädchen. Ich sollte sie wiedersehen.
Wieder ging es am Jahresende nach Süchteln ins Landeskrankenhaus in die Entgiftung. Von dort aus sollte es im Anschluss direkt in die Therapie gehen. Die Szenen aus dem Vorjahr wiederholten sich. Ich kannte es ja schon alles dort, und dieses Mal wusste ich schon, wie es war, den Junkie-Hill im frühen Winter zur Turnhalle hinaufzugehen. Mit sehnsuchtsvollem und zerrissenem Herzen, in welchem ich die bange Erkenntnis trug, dass die freien Zeiten des Fliegens nun endgültig vorbei seien, atmete ich die würzige, kühle Luft ein, die nach Wald und modrigem Holz roch. Während ich über das feuchte Laub schritt, sah ich in meiner Phantasie meine Freunde, die weiterhin morgens zur Platte gingen, im Sonnenaufgang, wenn die Straßenkehrmaschinen noch durch die Fußgängerzone fuhren, wenn die klamme Kälte der Nacht noch kaum von der schwachen, aufgehenden Sonne vertrieben war. Ich sah vor meinem inneren Auge wie sie sich, mit dampfendem Atem, an den bekannten Ecken trafen, während sie auf den ersten Dealer des Tages warteten. Wie sehnte ich mich in diese Szene hinein? Ich sah, wie sie von einem Bein ungeduldig aufs andere traten, wie sie sich gegenseitig um Zigaretten anschnorrten und dabei aus wartenden Augen spähten, aus welcher Straße, um welche Ecke er kommen würde. Der Erlöser, jemand, der etwas zu verticken dabei hatte. Neidisch erinnerte ich mich an diese Morgende und stellte dabei fest, dass ich das alles geliebt hatte. Dieses Junkiedasein. So schlecht und schwierig diese Art der Lebensführung auch sein konnte, es war auf eine andere Art auch frei und schön. Verdammt. Und ich stapfte hier in der Entzugsklinik den Junkiehill hinauf und war getrennt von all dem.
Aus dem Kapitel: „Der heiße Löffel“ (Buch: „Höllensturz“ Umwege. Die innere Reise. Band 2.) Erscheint vorraussichtlich noch in 2024.