Das Ende

Die Weiterbildungsmaßnahme war zu Ende. Alle Teilnehmer traten nach der Reihe einzeln nach vorn und erhielten unter Applaus ihr Zertifikat. Selbst ich bekam eins, auch wenn ich das kaum verdient hatte, denn im Grunde hatte ich nur die Hälfte der Lerninhalte mitbekommen. Zuletzt hatten alle Teilnehmer, als Teil der Ausbildung, noch ein abschließendes Praktikum gemacht. Es sollte dazu dienen, das erworbene Wissen in der Praxis zu testen. Ich war dazu in einer kleinen, neugegründeten Agentur in Köln Hürth untergekommen, hatte aber die halbe Zeit gefehlt. Ich hing ziemlich schräg in der Luft bei meinem Spagat zwischen Beruf und Sucht. Zwischenzeitlich hatte ich sogar noch eine Entgiftung gemacht und eierte nun halbwegs clean durch das Leben. Naja, wirklich nur halbwegs und deswegen prostete ich den anderen Teilnehmern des Kurses mit dem bereitgestellten Sekt im Plastikbecher etwas gequält zu. So richtig gab es für mich keinen Grund zum Feiern.

Mit dem Abschluss der Weiterbildung war auch die Kölner Phase für mich beendet. Ich sah keinen Sinn mehr darin, in einer Stadt zu bleiben, deren schöne Seite ich nie entdeckt hatte. Köln war für mich immer ein Albtraum geblieben und Freunde hatte ich hier auch nicht gefunden. Also packte ich meine wenigen Sachen und ging zurück nach Krefeld. Wieder einmal. Samsara. Ihr wisst schon. Man geht immer die gleichen Wege, bis man lernt oder dumm stribt.

Als arbeitsloser Habenichts und Gelegenheitsjunkie fand ich lediglich eine schrecklich möblierte Wohnung auf der Feldstraße. Ich stand etwas ratlos in der bedrückenden Bude, als ich sie erstmals besichtigte. Es war wieder so eine schmierige Kulisse, wie schon in Hamburg damals, oder zuletzt in Köln. Eine Rentnerbude im Rustikalstil der Achtzigerjahre. Auf dunkelgrünem, durchgelatschten Teppichboden standen klobige, abgewetzte Sessel mit breiten Armlehnen aus Holz, ein Schlafsofa und ein Kacheltisch. Es war hässlich aber es war mir auf eine erschreckend resignierte Weise auch irgendwie egal. Das Amt würde die Miete bezahlen und ich wusste ohnehin, dass ich vom ersten Tag an rückfällig und drauf sein würde, während ich hier lebte. Irgendwie war mein Widerstand, mein letzter Willen gebrochen. Es würde eine Endstation sein, soviel war klar. Also war es egal. “Ich nehm die Wohnung!” sagte ich achselzuckend zu dem Opa, der sie mir gezeigt hatte. Er drückte mir den gelben Standardmietvertrag in die Hand und nickte. Ich blickte auf all dies mit einer seltsamen Distanziertheit, als ginge es mich nichts mehr an. Irgendetwas in mir hatte mit dem Leben abgeschlossen.

Jeden Tag ging ich von diesem neuen Domizil aus mit Hundi zur Platte. Es hatte aber nichts mehr von dem fröhlichen Heimkommen, wie ich es noch wenige Jahre zuvor erlebt hatte. Es gab auch keine Konfettiparade zu meinen Ehren. Diese Heimkehr war nur noch eine letzte, räudige Notlandung. Meine Wohnung lag in einem Viertel der Stadt, das mir gar nichts sagte. Alles, was in Krefeld südlich des Hauptbahnhofes lag, hatte einen ranzigen, einen dreckigen und asozialen Touch. Hier wohnten die Armen, die Säufer, die Arbeitslosen und die Ausländer. Ich passte als Junkie ideal hinein.

Hundi und ich gingen die Kölner Straße, vorbei an Kiosken, Spielhallen und Kneipen in Richtung Bahnhof, unter den wuchtigen, genieteten Eisenträgern der Eisenbahnbrücke hindurch, gelangten durch das Hansazentrum in die Neusser Strasse und strebten durch das Gewimmel der Fußgängerzone weiter in Richtung Dionysiusplatz, denn dort versammelte sich zu dieser Zeit die Drogenszene.

Ich war in kürzester Zeit wieder völlig drauf. Nur war ich jetzt chronisch pleite. Das ist so ziemlich die ungünstigste Lage, in der man sich befinden kann. Als entzügiger Junkie ohne Kohle auf der Szene aufzukreuzen ist nichts weiter als erbärmlich. Oft saß ich zitternd und entzügig auf dem Rinnstein und wusste nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Ich heulte und es interessierte niemanden. Vielleicht geschah es mir nur recht, denn ich hatte diese Lage schließlich selbst verschuldet. Jedenfalls war alles aus. Ich war auf dem Grund aller Tiefpunkte angekommen. 

Schließlich traf ich auf diese Weise Tünni. Er saß in meinem Elend irgendwann einfach neben mir. Tünni hatte lange, gelockte Haare und war Einbrecher. Er hatte keine Unterkunft und musste wohl auch dringend untertauchen. Also ließ ich ihn bei mir pennen und im Gegenzug versorgte er mich mit Drogen. Das war unser Deal. Ich versteckte ihn, er versorgte mich. 

Im Morgengrauen kam er nach seinen Touren, mit frischen Spritzen, Heroin und Kokain zu mir, warf alles auf den Tisch und dann setzten wir uns gegenseitig Schüsse in die Halsvenen, weil wir sonst nirgendwo mehr trafen. Wir lagen tagelang endstufenstoned in der Rentnerbude. Nahrung brauchten wir wenig, weil man einfach keinen Hunger mehr spürte, aber wenn wir dennoch etwas essen wollten, besorgten wir es uns von der “Tafel”, dort gab es alte, halb vergammelte Lebensmittel für Bedürftige. Alles fühlte sich nach Ende an. Wir lagen auf dem Teppich und vergingen.

In der trüben und etwas finsteren Bude begann das Leben sich nun langsam auszublenden. Es schien die letzte Station zu sein. Ich nahm weder mich noch das Dasein wirklich wahr. Ich dämmerte dahin und alles verblasste im Nebel. Im Hintergrund sangen Alice in Chains: “What’s my drug of choice? Well, what have you got…? I don’t go broke….and I do it a lot…” 

Tagelang verließ ich das Haus nicht, beziehungsweise nur für kurze Runden mit Hundi, die sich nicht vermeiden ließen. Alles wurde immer grauer, immer heller um mich, als wäre ich von feinen Schleiern umweht oder von milchigen Schlieren umgeben. Klapprig warte ich nachts unter einer Laterne, während Hundi ihr Geschäft machte.

Irgendwann bekam ich beim Atmen Schmerzen. Ich stand in einer Pommesbude auf der Kölner Straße und hatte mir gerade Gyros bestellt, da hatte ich schlagartig irgendwie keine Kraft mehr. Ich schaffte es kaum noch, mich aufrechtzuhalten. Meine Luft wurde immer weniger. Mit kaltem Schweiß auf der Stirn schlich ich wie ein tausendjähriger Greis zurück in die Wohnung und brach dort zusammen. Irgendwie sah ich im letzten Moment noch verschwommen das Handy in der Sofaritze liegen. Ich rief meine Mutter an und röchelte mit letzter Kraft ins Telefon, dass etwas nicht stimmte, dann sackte ich zusammen. Der Raum blendete sich aus.

Meine Mutter war zu diesem Zeitpunkt in Bayern. Der Anruf ereilte sie, als sie gerade mit meinem kleinen Bruder an einem Bächlein im Wald saß. Sie hatten gerade einen Moment des Friedens gefunden. Das Bächlein plätscherte und die Sonne zwinkerte durch die Baumkronen. Sie hatten dringend etwas Entspannung und Frieden gebraucht, denn auch ihr Leben lief nicht rund. Es gab viele Sorgen und ich war eine davon. Jetzt klingelte in diese friedliche Idylle hinein das Handy und am Hörer stöhnte ihr sterbender Junkiesohn sein letztes Röcheln. Was sollte sie tun?

Mutti überlegte fieberhaft und da fiel ihr ein, dass sie noch die Nummer einer alten Schulfreundin von mir hatte. Es war das Mädchen mit den Augen der Kleopatra, die ich in einer fernen Vergangenheit, in einem anderen, einem längst vergessenen Leben in der Schule kennengelernt hatte. Es war ein purer Zufall, dass meine Mutter ihre Nummer durch irgendeinen Umstand noch hatte und dass sie noch stimmte.

Als 16-jähriger Teenager war ich in dieses grelle Mädchen aus der Parallelklasse etwas verliebt gewesen. Ich hatte sie von Anfang an toll gefunden, denn sie war ein schönes, ein buntes und auffälliges Mädel, das auf dem Schulhof aus allen anderen Schülern herausgeleuchtet hatte, wie ein farbenfroher Stern. Der Blick in ihre großen Augen war für mich seither immer hypnotisch geblieben. Wir hatten damals ein bisschen geflirtet und in einer Fügung unverschämten Glücks hatten wir auch einmal ein bisschen rumgemacht, aber mehr war zu meinem Bedauern leider nie daraus geworden.

Was aber daraus wurde, war eine Freundschaft, die anfangs noch, zumindest von meiner Seite, einen leisen Flirt im Hintergrund gehabt hatte. Dann hatte sie irgendwann geheiratet und ihr erstes Kind bekommen. Wir haben uns dann nicht mehr so oft gesehen. Wenn, dann trafen wir uns nur zufällig mal im Nachtleben, aber trotzdem verband uns eine Freundschaft, die nicht alt wurde, die irgendwie frisch blieb, sogar wenn wir uns über Monate nicht sahen. Wir mochten uns und haben uns immer vielsagend angegrinst, wenn wir einander begegnet sind. Zuletzt freilich, in den Jahren meiner Heroinsucht war der Kontakt zu ihr, wie zu allen anderen Menschen meiner Vergangenheit auch, völlig abgerissen. 

Meine Mum rief jetzt dort an, erklärte ihr die Situation und bat sie eindringlich, nach mir zu sehen. Das Auge der Kleopatra muss sehr verwundert dreingeschaut haben. Nach Ewigkeiten einen solchen Anruf von der Mutter eines Schulfreundes zu erhalten, den man über Jahre nicht mehr gesehen und gehört hatte, muss äußerst befremdlich gewesen sein. Das war sicherlich eine mehr als seltsame Situation. Sie hätte sich einfach rausreden können. Was ging es sie an?

Aber obwohl sie von der Situation vollkommen überrumpelt wurde, kam sie tatsächlich. Ich frage mich, was sie empfunden haben mag, als sie die steile Stiege zu dieser verwahrlosten Junkiehöhle hinaufgestiegen ist, als sie mich verdreckt und halb tot darin vorgefunden hat?

Wie gesagt, wir hatten uns immer gut leiden können und vielleicht war da deswegen noch ein letzter, seidener Faden, der uns verband. An diesem dünnen Faden hing nun mein Leben. Seltsamerweise hatte diese haarfeine Verbindung wohl gehalten, ganz egal wie weit die Entfernungen oder wie schlimm meine Verfehlungen in der Zwischenzeit auch gewesen sein mochten. Dass sie nun diesen stinkenden Raum betrat, war aber wohl vor allem der Güte ihres Herzens geschuldet.

Sie sah mich und den Hund. Sie verstand und tat was zu tun war. Es war höchste Not. Sie half mir die Treppe runter, setzte mich ins Auto und lieferte mich im städtischen Krankenhaus ab. Die wollten aber den stinkenden, sterbenden Junkie nicht haben. Sie wiesen mich ab. 

Meine alte Schulfreundin gab nicht auf und fuhr mich zu einem zweiten Krankenhaus. Kleopatra ließ mich nicht im Stich. Sie diskutierte engagiert mit den Ärzten. Ich nahm es ganz entfernt aus dem Augenwinkel noch wahr. All das spielte sich im Maria-Hilf-Krankenhaus in Krefeld ab. Es lag direkt neben dem Alexianer, dem psychiatrischen Krankenhaus, wo ich schon so oft entgiftet hatte. Schließlich setzte sich das allwissende Auge der Kleopatra durch. Man nahm mich auf und die Ärzte versuchten mich noch zu retten. 

Das war im Hochsommer des Jahres 2002. Eine erste Untersuchung mit Ultraschall ergab, dass der linke Lungenflügel gerissen und kollabiert war und dass mein Brustkorb voller Eiter war. Das Herz schlug in einem übel stinkenden, gelben Pudding. Die zusammengefallenen Reste meiner linken Lungenhälfte lagen wie ein geplatzter Luftballon, verklebt und zusammengefallen auf dem Grund meines Brustkorbs. Das bedeutete Lebensgefahr und Intensivstation. Die ägyptische Königin zog sich zurück, überließ mich den Ärzten und nahm Hundi zu sich. 

Meine Gebete waren also schließlich erhört worden. Wir erinnern uns: Ich hatte in Köln allabendlich an meinem Bettrahmen gekniet und darum gebetet sterben zu dürfen. Wieder lieferte das Universum. Jeder Wunsch, den ich in meinem Leben wirklich aus meinem innersten Kern formuliert hatte, war letztlich wahr worden. Es dauerte immer ein bisschen, aber schlussendlich erfüllten sich die Bitt-Gebete immer, die ich ins Weltall jagte. Ich hatte als 14-jähriger Junge die Liebe des Grünauges gewollt und ich hatte sie auf die gleiche Weise erfleht, als es keine Hoffnung mehr darauf gegeben hatte und nach einer Weile hatte ich sie bekommen. Später hatte ich mir von Herzen gewünscht, so schön und populär zu sein, wie die Jungs , die ich auf meinen ersten Parties bewundert hatte und auch das war erfüllt worden. Nun hatte ich mit der letzten Kraft meines Herzens um meinen Tod gebeten und jetzt kam er tatsächlich.

Es sieht so aus, als hätte ich mir in diesem Leben immer die falschen Dinge gewünscht. Ich war gut gestartet und dann immer unglücklicher geworden. Ganz zweifelsfrei habe ich mich viel zu oft falsch entschieden. In meinem selbstgewählten Unglück und Schmerz lag eine Lektion, die es zu lernen galt, die ich aber nie hatte wirklich entziffern können. Oder hatte ich nur nicht gewollt? Ich hatte aus irgendwelchen Gründen nicht gelernt, nicht wirklich zugehört. Das Universum, das Leben, hatte stets versucht, mich auf seine Weise zu unterrichten, aber ich war wohl kein guter Schüler. Aus lauter Bequemlichkeit und Angst war ich in den Tod gerannt. Tja, das war wohl kein großer Heldenepos, den ich da geliefert habe. Sei’s drum. Das war jetzt auch egal.

Würde Gott mir verzeihen, wenn ich nun wieder vor ihn trat? Würde er mir meine Feigheit vergeben? Meinen Egoismus? Meine ewige Selbstzentriertheit, meine Vergnügungssucht und meine Schwäche? Was hatte ich mir selbst und allen anderen, die mir auf meinen Umwegen durch das Leben begegnet waren, nur zugemutet? Was hatte ich aus dem Geschenk des Lebens gemacht? Früher hatten mich die Menschen oft beneidet um meine Talente. Sie waren oft fassungslos darüber gewesen, wie ich alles vergeudet und verbrannt hatte. Die Besten und Ehrlichsten unter ihnen hatten mir das auch klar gesagt. Jetzt hoffte ich, sie würden mir alle verzeihen. Die zurückgelassenen Freunde, die enttäuschten Frauen, die unzähligen Seelen, die es gut gemeint hatten und die an mir verzweifelt waren. Ich hoffte, dass Mutti und Hundi mir verziehen. Ich hoffte und zählte darauf, dass sie alle wussten, dass ich in der Tiefe meines Herzens nicht wirklich schlecht war. Ich war nur schwach und unglücklich.   

"Das Ende" ist Teil des gelichnamigen Kapitels aus dem Buch "Höllensturz" von Sven Bost
„Das Ende“ ist ein Kapitel aus dem Buch: „Höllensturz“

Dies ist das Kapitel „Das Ende“ aus „Höllensturz“ dem zweiten Band meiner Biografie „Umwege. Die innere Reise“ (Erscheint voraussichtlich gegen Ende 2024)

Heimkehr

Wieder zurück nach Krefeld zu kommen, war die lang ersehnte Wiedervereinigung mit meiner Heimat. Ich verließ die Autobahn an der Abfahrt Oppum und fuhr von dort an nur noch durch alte, wohltuende Vertrautheit. Es war, als kehrte ich zurück in die heile Welt der Vergangenheit, in der ich ein glückliches Kind und ein aufblühender junger Mann gewesen war. Um diese wohltuenden Gefühle des Heimkommens verstärkt aufzunehmen, machte ich vom Bockumer Platz extra den Schlenker durch die Windmühlenstraße, die Kulisse meiner Grundschulzeit. Ich rollte langsam an den wenigen Metern Bürgersteig entlang, die damals meine ganze Welt gewesen waren und auf denen sich meine frühe Kindheit abgespielt hatte. Ich sah mich als Vorschulkind mit Stützrädern hier entlangsausen. 

Mein Herz ging auf, als ich wenig später die wunderbare Allee der Uerdinger Straße entlangfuhr, die ich ebenfalls seit frühsten Kindertagen schon kannte und die ich in allen Altersstufen mit dem Fahrrad, der Straßenbahn und später mit ersten klapprigen Autos hinauf- und herabgefahren war. Die vorbeigleitenden Anblicke erschienen mir vertraut wie Teile meines Körpers. Erlöst atmete ich tief ein.

Endlich war die Fremde überwunden. Das tat gut. Ich liebte das sich über die Straße wölbende Blätterdach der Bäume. Glitzernd und flackernd stach das Sonnenlicht hindurch, als ich darunter entlangglitt. Ich kam heim. Krefeld war der Ort, an den ich irgendwie gehörte. Es fühlte sich wunderbar an. Die Wunden, welche durch die lange Trennung in mein Herz gerissen worden waren, schlossen sich augenblicklich auf die schönste Weise. Mit dankbar staunendem Blick fuhr ich die Straßen entlang, sah mich ununterbrochen in alle Richtungen um und war glücklich, endlich wieder hier sein zu dürfen.

Ich bezog eine Wohnung auf der Uerdinger Straße, ungefähr in Höhe des Von-Beckerrath-Platzes. Anfangs hatte ich noch Lebensschwung und neue Pläne und begann in der ganzen Wohnung Laminatboden zu verlegen. Möbel hatte ich ja eigentlich noch nie besessen, aber das würde sich alles irgendwie finden. Auf Geld hatte ich ja wegen des 10.000 Mark Kredits noch Zugriff. Zunächst schlief ich jedoch noch in Ermangelung eines Bettes mit Hundi im Arm auf einer Matratze. Das Geld gab ich lieber für Drogen als für Möbel aus.

Ich wohnte in der 3. Etage und vom Küchenfenster sah ich nachts die gelbe Leuchtreklame eines Schlüsseldienstes hineinleuchten. Darunter blickte ich auf das vertraute Bild der Uerdinger Straße hinab. Tagsüber konnte man sehen, wie sich die Straßenbahnen unter ihren Oberleitungen dort entlangschoben. Es waren die gleichen Linien, mit denen ich als Kind täglich zur Schule gefahren war. Meine alte Schule, das Moltke-Gymnasium, war nicht weit von hier und auch das „Movies“, das in meiner persönlichen Geschichte so wichtige Bistro, um welches herum sich die wohl glücklichste Zeit meines jungen Lebens abgespielt hatte, wäre nicht weit entfernt gewesen, nur ein paar Steinwürfe entfernt, aber leider gab es dieses Lokal schon lange nicht mehr. Es gab viele zuckersüße Erinnerungen aus verschiedenen Lebensphasen und alle waren mit Orten in dieser Stadt verknüpft. Es genügte ein Blick aus dem Küchenfenster. Da drüben, auf der anderen Straßenseite, in der Von-Beckerrath-Stube waren wir zu Zeiten der alten Werbeagentur oft mittags zum Essen gewesen. Ich schmunzelte hinter der Fensterscheibe, als ich kurz daran dachte. Jetzt war ich also wieder mittendrin in meiner Heimatstadt, in meinem Leben. Alles atmete Erinnerung und war bedeutend. Ich spürte meine Wurzeln und es war gut so.

Morgens sprangen Hundi und ich auf und ich schlüpfte schnell in die Jeans und dann eilten wir die Stufen im kühlen und dunklen Treppenhaus hinab. Hundi hüpfte vor Freude, hechelte aufgeregt und wuselte direkt zum nächsten Bäumchen, um ihr Geschäft zu machen. Ich wandte mich zu Fuß in Richtung Stadt und nach wenigen Metern standen wir an der Ampel der großen Kreuzung Uerdinger- und Philadelphiastraße. Ich sagte zu Hundi, dass sie sich setzen solle und das tat sie auch. Brav hechelnd sah sie treu zu mir auf. Es war keine schöne Kreuzung. Sie war grau und lärmend und überhangen von Straßenbeleuchtung, Ampelanlagen und den Oberleitungen der Straßenbahn. Darunter hatte immer schon, soweit ich mich zurückerinnern konnte, ein stets dichter Verkehr geherrscht, aber jetzt, am sehr frühen Morgen, ging es eigentlich noch.  

Als ich so dastand und wartete, dass es grün wurde, sah ich mich um, und mein Blick streifte gleich zwei Gebäude, die mich an meine toten Ahnen erinnerten. Blickte ich etwas nach links in die Philadelphiastraße hinein, dann war dort das Gebäude, in dem das erste Krefelder Büro meines Vaters gewesen war. Die Fassade war nun anders gestrichen, aber ich erkannte es dennoch sogleich wieder. Kurz tauchte in meinem Inneren das verschwommene Bild meines fast nicht gekannten Vaters auf. Es waren verwackelte, verblichene Szenen aus den siebziger Jahren. 

Sah ich geradeaus, stadteinwärts, die Uerdinger Straße entlang, die ab dort „Rheinstraße“ heißt, dann sah ich die auffällige quietschgelbe Fassade eines Hauses, in dem meine Oma Anneliese, Daddys Mutter, gelebt hatte, als sie damals, nach seinem Tode aus Frankfurt nach Krefeld gezogen war um Mutter und mir in schwersten Zeiten beizustehen.

Oma und Dad waren schon lange tot. Nachdem ich zuletzt in Frankfurt auch noch vom Tod meines Großvaters erfahren hatte, fühlte ich mich als der letzte Überlebende aus der Blutreihe der Familie Bost. Es wurde grün und ich beeilte mich, die breite Kreuzung zu überqueren. Auch diese Gefühle gehörten dazu. Sie reihten sich ein, in den überbordenden Strauß der Emotionen, die mich mit jedem Schritt auf diesem Boden einholten. In Krefeld atmete jeder Rinnstein, jeder Gullideckel, lebendige Erinnerung. Die bekannten Fassaden und Geschäfte umarmten mich wie eine Fassung, in die ich gehörte. Jede Häuserecke schien zu sagen: “Schön, dass Du wieder da bist!”

So wurde die dunkle Trauer, die mich eben an der Kreuzung noch kurz überschattet hatte, ein paar Schritte weiter schon wieder verdrängt von ganz anderen, leichteren Gefühlen. Da drüben war der „Herkules Grill“ und ich erinnerte mich daran, wie wir dort als gegelte, braungebrannte Jungs, so um die 18 rum, Pommes gegessen und an einem Spielautomaten „Daley Thompson’s Decathlon“ gespielt hatten. Jene Tage waren glückselige, leichte Tage gewesen, voller Jugend und Freude. Ich sah meine alten Kumpels kichern und grölen. Ich dachte an Ameise, Spicker, Mocca und den ganzen durchgedrehten Haufen und lächelte dabei selig.  

Ich ging und genoß die Vertrautheit der Umgebung. Auf unserem weiteren Weg in das Stadtinnere erschnüffelte Hundi alles ganz genau, denn sie kannte es ja noch nicht. Für Hundi war Krefeld neu.

Nach meiner dreijährigen Odyssee, die mich meiner Heimat entrissen hatte, tat es nun unendlich gut, wieder genau jene vertrauten Gehsteige entlangzugehen, die ich schon als Kind gekannt hatte. Ich dachte kurz an den seltsamen und langen Umweg zurück, den ich in den letzten drei Lebensjahren gegangen war. Es war schon eine merkwürdige Reise, die ich da im Winter 1996 angetreten hatte. Mein hilfloser Drift durch das Leben hatte von der ersten Therapie am Bodensee, über den Knast in Münster, ins Schloss nach Bergisch Gladbach und in seinem weiteren Verlauf über die Ostsee letztlich nach Frankfurt geführt. Als ich mich so zurückbesann, fiel mir auf, dass es eine einzige Stolperei gewesen war, dass ich ziellos im Leben herumgeirrt war, ohne irgendwo auch nur den geringsten Halt zu finden. 

Etwas von dieser vermissten Sicherheit, von einem selbstverständlichen Lebensglück, das man einfach nur geschenkt bekam, vermittelten mir nun Krefelds Straßen. “Wozu also das Ganze?” fragte ich mich. “Ich hätte gleich hier bleiben sollen. Ich bin auf Drogen und in Krefeld.” Es fiel mir auf, dass sich tatsächlich ein Kreis geschlossen hatte. Ich kam in der gleichen Situation wieder aus. “Dazu hätte ich den ganzen Scheiß nicht gebraucht…” sagte ich in Gedanken zu mir. 

Was ich damals jedoch noch nicht wusste, war, dass im Leben kein Umweg, keine Erfahrung, jemals wirklich vergebens ist. Auch wenn mir in diesem Augenblick die durchfühlten Erlebnisse der letzten Jahre zum größten Teil  sinnlos und schmerzhaft erschienen, so hatten sie zweifelsohne dazu beigetragen, dass sich das Spektrum meiner Lebenserfahrung geweitet hatte. Das war die Wahrheit, auch wenn ich mir dessen damals noch nicht bewusst war. Heute weiß ich, dass wir auf unseren Umwegen meistens Dinge erfahren, die notwendig sind, dass sie uns über Punkte führen, die wir irgendwie mitnehmen sollten. Am Ende sind sie somit gar keine Umwege mehr. Als ich im Sommer 1999 die Heimkehr in die Straßen Krefelds genoss, hatte ich das aber noch lange nicht begriffen und war noch weit von der Lösung des eigenen Rätsels entfernt.

Der junge Mann, der da gegen das erste Sonnenlicht des Tages in Richtung Innenstadt schlenderte, war ich nicht mehr derselbe wie vor drei Jahren. Noch mochten die Puzzleteile zwar keinen großen Sinn, kein ganzes Bild ergeben, aber das würde sich noch fügen. Vorerst gab ich mich damit zufrieden, dass ich fürs Erste wenigstens gelernt hatte, wie wertvoll mir die Heimat war.

Vorerst schien alles beim Alten zu sein. Ich ging am Ostwall in der großen Filiale der Sparkasse zum Geldautomaten, stopfte mir ein paar Hunderter in die Hosentasche und spazierte weiter zum Anne-Frank-Platz, wo sich die Junkies neuerdings trafen, seitdem man sie vom Neumarkt vertrieben hatte. Die Sonne schien noch nicht mit großer Kraft, weil es früher Morgen war. Sie kletterte erst langsam im Rücken der Häuser hinauf. 

Ein paar bekannte Gesichter traf ich immer in den Straßen Krefelds. So auch hier unter den Junkies. Ich habe zeitlebens immer eine große Zugehörigkeit zur Drogenszene gespürt. Wie ich waren die anderen in aller Herrgotttsfrühe in den Straßenschluchten aufgetaucht, weil sie dem Ruf des Heroins gefolgt waren. Ich setzte mich zu ihnen und sie freuten sich. Alle liebten sofort Hundi, die schwanzwedelnd und freundlich auf jeden Menschen zuging, ob Junkie oder nicht. 

In den vertrauten Treppenaufgängen der Tiefgarage machte ich mir einen Schuss und war somit auch wieder heim im warmen Schoß des Heroins. “Es ist gut so!” dachte ich und irrte mich dabei natürlich grundlegend.

Es war also eine Heimkehr in jeder Beziehung. Das bedeutete aber auch, dass der ganze Aufwand mit den Therapien und alle weiteren Bemühungen scheinbar vergebens gewesen waren. Was ich auch immer an menschlichen Erfahrungen in dieser Zeit gemacht haben mochte, zunächst führten sie im Hier und Jetzt zu keiner sichtbaren Veränderung. Noch hatte ich augenscheinlich nichts gelernt. Im Gegenteil. Wenn wir meine Lebenssituation von oben betrachten, dann war ich durch die Wendungen, die ich meinem Leben in den letzten Jahren gegeben hatte, höchstens noch instabiler, noch irritierter geworden und steckte tiefer denn je im gewohnheitsmäßigen Drogenkonsum. Und was ich bei alledem nicht wahrhaben wollte oder wozu ich mich noch nicht imstande befand zu verstehen, war, dass tief drinnen in mir ein Gefühl der Enttäuschung wuchs: Über das Leben und mich selbst. In den kommenden Jahren würde diese Verzweiflung wie ein Stein in meinem Magen stetig wachsen und mich wie ein rostiger Anker in die Tiefe zerren.

Aber die Betäubung des Heroins ließ mich diese Sorgen gleich wieder vergessen. Der Rausch strahlte in mir wie eine innere Sonne und ich war froh und leicht, denn jetzt schwamm ich wieder in meinem Element. Ich war wieder back in Town und mein täglicher Gang mit Hundi zum Bankautomat und zur Szene war wie ein freier und fröhlicher Tanz im Sonnenlicht. Das Rauschgift und das Heimatglück ließen für den Moment alles so einfach erscheinen! Ich schwebte nach langer Zeit endlich wieder in einem leichten Glück und empfand wohligen Frieden. 

Der Geldautomat spuckte die Heroingutscheine gutwillig aus und ich musste sie nur ein paar Meter weiter tragen. So waren die ersten Wochen und Monate ein sorgloser Spaziergang. Es war Sommer und ich bewegte mich in seinem goldenen Schein wie in wohltemperiertem seidigen Wohlsein. Ich ahnte nicht oder wollte nicht ahnen, dass ich mich durch dieses sorglose Tun unweigerlich zu einem weiteren, noch viel grausameren Umweg verurteilte. Dieser Lebensstil war substanzraubend. Die Insel der Seligkeit würde ich nicht mehr lange bewohnen. In der Konsequenz würde ich unweigerlich und bald schon auf eine rauere See geraten, als ich sie je gekannt hatte. Diese gezählten, unbesorgten Tage, die ich jetzt noch durchlebte, waren wie eine unerlaubte Pause vom Leben, als wäre die Zeit für ein paar wenige Wochen geraubten Glücks angehalten. Es war ein gestohlener, geliehener Traum. In ihm tanzte ich mit Hundi über die sonnenhellen Straßen Krefelds. 

Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis ich grausam erwachen würde. Am Horizont braute es sich schon schwarz und donnergrollend zusammen. Ein Sturm würde kommen. Er musste kommen, weil ich ihn selbst heraufbeschwor. Der erste Donner würde an jenem Morgen treffen, an welchem das Geld endgültig zu Ende war. Der Sturm würde hart und unerbittlich sein und mich ich weit auf einen Ozean aus grenzenloser Verzweiflung hinaustragen. Das Unwetter, was sich da anbahnte, würde mich in den tiefen Schatten am Grund des Niederganges treiben und ich würde einen elenden Pfad durch große Trostlosigkeit mit zitternden Schritten gehen müssen, bis ich endlich begriff, bis ich endlich lernte. Wenn ich dies nicht tat, lernte ich nicht, wäre ich dazu verdammt dumm auf der Wegstrecke zu verenden.

„Heimkehr“ ist ein Teil des Kapitels: „Millenium“, aus dem Buch: „Höllensturz“ (Umwege. Die innere Reise. Band 2) Es erscheint voraussichtlich noch 2024.

"Heimkehr" ist ein Abschnitt aus dem Kapitel "Millennium" aus dem Buch "Höllensturz" von Sven Bost

Kokain

Kokain ist ein kurzes, komplettes Kapitel aus dem Buch "Höllensturz" von Sven Bost
Kokain ist ein kurzes, komplettes Kapitel aus dem Buch: „Höllensturz“

Kokain ist eine Teufelsdroge. Es ist wie Raketentreibstoff für das Ego. Es macht Dich für einen Moment überlebensgroß. Dieses Rauschgift kommt aus Südamerika und wird aus den Blättern des Cocastrauches gewonnen. In verschiedenen Herstellungsstufen werden die Blätter mit Schwefelsäure, Zement, Kerosin, Ammoniak und vielen weiteren Chemikalien vermengt. Am Ende hat man auf diese Weise ein weißes Pulver extrahiert: Das Kokain. Eigentlich ist es eine unfassbare Chemiepampe. Wenn man es durch die Nase zieht, wird langsam das Gaumensegel und der Rachen taub. Das haben viele Menschen schon einmal ausprobiert. In leichter Dosierung hebt es in angenehmer Art die Stimmung. Ganz früher war es sogar einmal Bestandteil der Coca Cola und zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts benutzten Zahnärzte es noch zur lokalen Betäubung. Schnell wurde die Substanz beliebt und als Droge zur Stimmungsaufhellung benutzt, denn der Effekt von Kokain ist extrem euphorisierend.

Ich hielt mich aber nicht damit auf, es dezent über die Nasenschleimhäute aufzunehmen: Nein. Das war für Anfänger! Die Anflutung im Gehirn passiert dann langsam und zeitversetzt. Ich saß in der Wohnung, die ich nun für eine Woche für mich allein hatte, und löste das Kokainpulver in einer kleinen Menge Wasser auf und spritzte mir das Glückselixier direkt und ohne Umleitung in die Blutbahn. Das ist hochgefährlich. Leicht sind tödliche Überdosen erreicht. Ich rührte es einfach mit Wasser auf einem Löffel um, zog die Spritze auf und: Bumm!

Mit dem Blutstrom jagte das Kokain zum Gehirn und dort explodierte es innerhalb einer Sekunde als lichthelle Glücks- und Energiebombe. Mein Herz wurde in einer steilen, hohen Welle hinaufgetragen, wie bei einer extremen Achterbahnfahrt. Dieser Schub schoss mich in die höchsten Höhen eines grellen und goldenen Sonnenscheins! Jetzt stand ich auf dem höchsten Glücksgipfel der Welt. Das war mit Abstand das absoluteste und hellste Hochgefühl, das ich je erlebt habe. Es fühlte sich in mir an, als sei mein Lebenslicht von dem gelblichen, flackernden Leuchten einer Kerze zu einem kristallklaren, weißen Flutlicht geworden. Es strahlte mit der Allmacht eines großen Triumphgefühls. Ich erlebte ein inneres Feuerwerk der Lebenslust und ein Dopaminspektakel, wie es in einem normalen Leben nicht vorkommen kann.

Ich war Ironman und die Schubdüsen schossen mich in den Nachthimmel! Überflug über das Dach der Welt in der Platinum-Extra-VIP-Klasse! Mein Schädel klappte nach oben auf und das Hirn explodierte in das weite All hinaus! Augenblicklich stand ich unter atomarem Starkstrom. Ich war der allmächtige Lichtsohn von Universien. Mein Gehirn hatte in die Kokain-Steckdose gepackt und schlug Funken!

Ich musste raus, unter Menschen! Jetzt und sofort! So stürzte ich aus der Wohnungstür und mein Ziel war das Frankfurter Nachtleben. Ich schwebte mit intergalaktischen Schubdüsen zum Bus und wenig später wieder aus dem Bus hinaus zur S-Bahnstation. Auf einem Treppenabsatz im Halbdunkel neben der erleuchteten Haltestelle, setzte ich mir den nächsten Schuss. Der Schubeffekt baute sich leider recht schnell wieder ab. So geriet ich irgendwie nach Frankfurt City, schob wie eine Lenkrakete durch die Straßen und fand schließlich einen großen Club, vor dem die Leute Schlange standen.

Mir Kokain zu spritzen war zweifelsfrei die Krone meiner Maßlosigkeit. Mehr Überhöhung und lüsterne Gier als diesen Zustand gibt es nicht. Es ist der extremste Pol, das äußerste der Gefühle. Als fremder Lichtgott aus einer fernen Galaxie stand ich in der weiten, hellen Halle des Clubs. Lichtstrahlen schossen aus meinen Herrscheraugen und scannten die Untertanen.

Jedes Kind weiß es jedoch: Zu viel des Guten wird schnell zum Schlechten. Die überzüchtete Euphorie kann an ihrem Scheitelpunkt nur noch kippen und das tat sie auch bald. Aus meinem übergeilen Egoflug wurde bald eher eine Art verkrampfte Hysterie. Zu viel Kokain ruft auch Halluzinationen hervor. Von dem grellweißen Flutlicht in mir wurde alles überstrahlt, alles um mich herum löste sich in gleißendem weißen Schein auf. Ich fing an zu beben. Ich hätte in dem Zustand mit niemandem mehr sprechen können. Ich hatte zu viel Schub um in meinem Mund ein Wort formen zu können. Ich tanzte mit mir allein und die Clubs und die Menschen waren nur Kulisse, wie ein Film, der um mich herum ablief.

Das Kokain nahm Besitz von mir und zog mich in einen besessenen Strudel hinein, in eine tödliche, brennende Gier. Längst war ich äußerlich zu einem schwitzenden Gollum geworden, mit hervorgetretenen Augen, die irre blickten, und der schwitzte, der kaum noch Luft bekam, weil sein Herz solch einen Überdruck in ihm aufbaute. Es war zu viel. Viel zu viel. Es war messerscharf an der Kante.

Auf den Toiletten legte ich nach. Ich saß auf einer Klobrille und suchte mit zitternden Händen nach einer Vene am Fußknöchel, als ich eine fand, lief mir Blut auf den Rand meiner weißen Socke. Dann torkelte ich wieder ins Geschehen zurück. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden so vergingen und wo ich im Detail überall war. Es war ein bizarres Video, das ich erlebte. Heute frage ich mich, wieso ich das überlebt habe. Habe ich es überlebt? Oder bin ich in jener Nacht ein weiteres Mal im Multiversum gestorben und in eine schlechtere Parallelwelt abgestiegen, weil ich mich wieder einmal unentschuldbar versündigt hatte auf meinem Umweg durch das Leben? Jedenfalls rutschte ich die karmische Abwärtsspirale hinab wie eine Spaßrutsche im Schwimmbad. Irgendwann hatte ich mich in einen weiteren Club verirrt, da merkte ich nach einer Weile, dass ich nur von Typen umtanzt wurde. Hinter den wirren Schlieren meiner Wahrnehmung stellte ich entsetzt fest, dass hier keine einzige Frau war.

Da hatte ich mich wohl im Etablissement vergriffen. Wieso hatten die alle bunte Cowboyhüte auf und Federboas um? Karneval war doch nicht, oder doch? Als ich meinen fatalen Irrtum einsah, tanzte ich schleunigst rückwärts wieder zur Türe raus und endete im Morgengrauen in irgendeinem Hauseingang wo ich zitternd, vibrirend und krampfend noch versuchte mir den zwanzigsten Druck zu setzen und kippte langsam auf die Schattenseite des Rausches…Mein Heiligenschein begann zu flackern.

Irgendwie fand ich nach Hause und dann ging das Licht aus. Alle Brennstäbe waren ausgebrannt, jedes Glückshormon war im inneren Feuerwerk verglüht. Vom strahlenden Glorienschein meiner eigenen Herrlichkeit blieb nur noch eine flackernde Glühbirne der Erbärmlichkeit übrig. Sie glomm immer weniger und dann wurde es dunkel, völlig abgefackelt, verkohlt und verbrannt vom inneren Feuer, schlief ich ein.

Als meine Freundin von ihrem Heimaturlaub zurückkehrte und mir beichtete, dass sie dort Sex mit ihrem Ex-Freund gehabt hatte, konnte ich das zwar irgendwie nachvollziehen, es war aber trotzdem irgendwo enttäuschend. Es tat weh. Trotzdem schlief ich noch einmal mit ihr und weil ich genug Heroin im System hatte, war mein Problem mit der vorzeitigen Ejakulation gelöst. Das Heroin machte mich dumpf und betäubt. In diesem Zustand konnte ich es ewig mit ihr treiben. Sie sah mich begeistert an: “Wieso bist Du nicht gleich so gewesen?” fragte sie mich. Ich konnte es ihr nicht sagen.

Jetzt war mir alles endgültig egal. Ich schmiss den Job und die Beziehung, nahm den 10.000,- Mark Kredit, den mir die Hausbank meines Arbeitgebers freundlicherweise eingerichtet hatte, packte meine Habseligkeiten und meinen Hund ein und fuhr wieder nach Krefeld. Stoned wie ein Schwein jagte ich die Autobahn hinunter. Jetzt wo ich ohnehin wieder umgefallen war, konnte ich auch zurück in meine geliebte Heimatstadt, den Ort, den ich liebte und kannte, wo ich kein Fremder war. Endlich kam ich heim. Nicht als Sieger, nicht glorreich, nein, eher im Gegenteil, aber ich kam heim.

Aus: „Höllensturz“ (Umwege. Die innere Reise. Band 2) Das Buch erscheint voraussichtlich noch in 2024.

Der neue Sound

Irgendwie dachte ich, dass die Aliens gelandet wären. Mir war, als hinge da ein Raumschiff mit seinem leuchtenden Antriebsaggregat über der Tanzfläche und als hörte ich das Stampfen des Maschinenraums, die ins All hallenden Peilungssignale und die Entladungsgeräusche von Photonenkanonen. Der Ratinger Hof war zum Stargate geworden und ich wurde in das ferne Weltenall teleportiert. Oder hatte ich einen Zeitsprung in die ferne Zukunft gemacht?

Gut, es mag sein, dass ich neben anderen stimmungsverändernden Substanzen  auch ne “Pappe” eingeklinkt hatte. Das soll bedeuten, dass ich unter anderem auch LSD zu mir genommen haben könnte. Die Trips waren als kleine bunte Papierschnipsel im Umlauf. Sie sahen recht unscheinbar und harmlos aus. “Wie winzige Briefmarken!” hatte ich anfangs naiv gedacht, jedoch meine Meinung schnell geändert, als ich feststellte, dass diese kleinen Papierschnipsel eine kolossale Wirkung entfachten. Wir nannten die LSD-Trips deswegen “Pappen”. 

Jedenfalls würde eine solche “Pappe” meine extremen Sinneswahrnehmungen in diesem Moment ganz gut erklären. So wie ich jetzt hier stand, kam es mir so vor, als hätten fremde Wesen das DJ-Pult, die Tanzfläche und den ganzen Raum übernommen. Für mich war dieser Moment seit den ersten Klängen dieser absonderlichen Musik eine Begegnung mit der dritten Art geworden. Die Tänzer waren zu abstrusen Außerirdischen und die Scheinwerfer zu leuchtenden Brennstufen ihres Ufos geworden, unter dem sie eckig, fremd und rituell tanzten. Ich staunte bunte Bauklötze.

Fremd, neu, futuristisch und etwas mystisch fühlte sich alles um mich herum an. Ungläubig lauschte ich den Soundwaves aus dieser fremden Galaxie, die dem wirren Gesang eines verrücktgewordenen Computers glichen.

In dieser Nacht landete also das Techno-Raumschiff in meiner Welt. Ja gut, ein paar Pillen und Nasen waren gleich mitgelandet, aber das gehörte, wie ich sehr bald lernen würde, auf ebenso wunderliche wie sich ideal ergänzende Weise zusammen. Die Vibrationswellen eroberten den ganzen Raum und drangen in mich. Die fremden Götter aus dem All sprachen zu mir. Sie äußerten sich in einer Sprache aus Sounds und Vibes, aus Frequenzen und Schwingungen. Dazu ritten sie auf pumpenden Rhythmen. Sie ließen interstellare Soundwellen auf mein Trommelfell los, die wie Hypnosestrahlen auf mich wirkten. Alles waberte und pulsierte wie ein elektrischer Pudding um mich herum!

Ja, das war alles überaus erstaunlich. Und es warf meine Hörgewohnheiten komplett über den Haufen. Es war unvergleichbar mit allem, was bis dahin an mein Ohr gedrungen war. Als Kind hatte ich Elvis, die Beatles und ELO gehört, später als Teenager in den Achtzigern, dann Beastie Boys, Frankie goes to Hollywood, Depeche Mode und solche Dinge. Und nun sah ich mich plötzlich und unverhofft, im vertrauten Trockeneisnebel und zwischen den bunt auflechtenden Lichtflecken der Scheinwerfer, diesen knarzenden und blubbernden Klangflächen ausgesetzt. “Was ist das?” fragte ich mich und wurde dabei von stampfenden Bassdrums überfahren wie von einer Panzerbrigade. „Mein lieber Schwan!“ dachte ich. Das war ne ganz andere Nummer. Auf einmal befand ich mich auf einer surrealen Kellerparty in einer intergalaktischen Irrenanstalt.

Durch den farbig blinkenden Nebel sah ich Leute, die sich ganz anders bewegten, als ich das jemals zuvor bei einer humanoiden Lebensform gesehen hatte. Sie zuckten im Beat wie unter Elektroschocks und sie gebärdeten sich insgesamt grotesk. Sie reckten ihre Arme bizarr in die Höhe und ihre Gesichter waren ekstatisch verzerrt. Was zur Hölle war hier auf einmal los? Hatte ich den Verstand verloren? War ich tot und im Maschinenraum der Hölle gelandet? War ich vielleicht tatsächlich durch einen extraterrestrischen Traktorstrahl entführt und in eine ferne Galaxie gebeamt worden?

Besser kann ich Euch den Kulturschock, den ich in jener Nacht erlebte, nicht beschreiben. Meine gekannte Welt brach auf, zerbarst, und etwas ganz Neues und Fremdes zeigte sich dahinter. Noch eine ganze Weile stand ich wie ein Fragezeichen da, während alles um mich herum nun ein groteskes Stampfen und Brummen war. In dieser Nacht traf mich die Zeitenwende. Von hier an würde alles anders sein.

Im Ratinger Hof kam am frühen Morgen immer der „Rausschmeißer“. Das fremde Ufo verschwand und mit ihm der ganze kosmische Zauber. Die Musik verstummte, das Licht ging schlagartig an und vom hinteren Ende des Clubs schritt der Türsteher mit dunkler Aura langsam nach vorne und rief: “Feierabend!“. Mit langem, wallenden Ledermantel schob er sich wie eine Wand aus der dunklen Tiefe des Clubs heran, wie das leibhaftige Böse, und trieb die verpeilte Meute vor sich her, an der Kasse vorbei, auf die Straße. Das Personal wollte schließlich auch einmal nach Hause. Hier würde es keine Zugabe mehr geben, das war klar.

Ich wurde mit der Blase der übrigen Gäste auf die Ratinger Straße gespült. Der Morgen graute schon. Da sie wieder: Die normale irdische Welt. Ich fühlte mich wie vom Ufo ausgespuckt und kam nicht klar. War ich eben noch im Dunkel des Clubs in ferne Sounduniversen entführt worden, stand ich nun schlagartig in der fast schon taghellen Düsseldorfer Altstadt. Die Steinhäuser und das Kopfsteinpflaster, das Tageslicht, das alles kam mir nun ebenso seltsam vor, wie zuvor der Trip ins All. Wiederum äugte ich weltfremd um mich, als wäre die Alien-DNA mit Hilfe der fremden Soundwellen in mein Hirn getragen worden und als würde ich nun aus fremden Augen auf meinen Heimatplaneten blicken. Die übrigen Leute verteilten sich schnell in alle Himmelsrichtungen und ich stand da wie teleportiert, wie Zaphod Beeblebrox.

Ratlos und desorientiert wankte ich los, bis ich in meinem zerfaserten Hirn auf eine ungefähre Erinnerung stieß, in welche Richtung ich gehen musste, um eine U-Bahnstation zu finden. Während ich ging, blickte auf den Gehsteig vor meinen Füßen, um dort den Sinn des Lebens zu suchen. Ich fand ihn nicht. 

Diese Welt war mir nun insgesamt zu viel und ich fühlte mich irgendwie nackt, schutzlos und verstört. Ich wollte mich schnell unter einem Stein verbergen. Ich war eine lichtscheue Kakerlake, schleimig und grünlich fluoreszierend. Ein Ungeziefer “from outer space”, als welches ich schnell aus dem Tageslicht verschwinden musste, bevor die Erdenbürger bemerkten, dass ich nicht mehr zu ihnen gehörte. Weltfremd und möglichst klein zusammengekauert saß ich in der U-Bahn und schlich mich später, von der Endhaltestelle an, in die Schatten der Häuserwände gedrückt, von Häuserblock zu Häuserblock nach Hause.

Aus dem Kapitel: Techno

Höllensturz ist der zweite Teil meiner Autobiografie: Umwege. Die innere Reise und erscheint voraussichtlich noch in 2024.

Daytop

Neue Leseprobe aus "Höllensturz" (Umwege. Die innere Reise. Band 2): Daytop.

Lesen Sie den Anfang des Kapitels: "Daytop" aus "Höllensturz" (Das Buch ist augenblicklich in der letzten Bearbeitungsphase und wird voraussichtlich noch in 2024 erscheinen.)
Höllensturz wird voraussichtlich noch in 2024 erscheinen.

Die Szene war eine Wiederholung. Das rote Auto meiner Drogenberaterin erwartete mich vor dem Gefängnistor. Ich schulterte meine Taschen und schritt grinsend auf sie zu. “Hi…” sagte ich durch die geöffnete Wagentür und warf meine Taschen auf den Rücksitz. “Hallo..” sagte mein rettender Engel und lächelte freundlich zurück. Diese Frau hatte mich durch ihre Arbeit rausgeholt. Etwas schämte ich mich für die Umstände, aber gleichzeitig durchströmte mich auch ein gigantisches Gefühl der Erlösung und Befreiung. “Danke, dass sie mich so schnell da rausgeholt haben…” bedankte ich mich bei ihr und sie antwortete wie selbstverständlich: “Das ist ja mein Job!”

Nun saß ich wieder neben ihr und wir fuhren los in Richtung Bergisch Gladbach. Es war die gleiche Szene wie ein paar Monate zuvor, als sie mich aus der Entgiftung in den Süden Deutschlands gefahren hatte. “Auf ein Neues!” dachte ich und das Auto setzte sich in Bewegung. Es ist ein komisches Gefühl, wenn du irgendwohin gebracht wirst, wo du noch nie warst und nichts von diesem Ort weißt, außer dass du dort leben wirst, ob es dir nun gefällt oder nicht. Der gleiche wilde Emotionscocktail wie vor rund einem halben Jahr begann in meinem Inneren aufzusteigen. Die Freude darüber, dass ich den Knast erstmal hinter mir hatte, mischte sich mit dem Frust nicht wirklich frei zu sein und der Besorgnis über das Ungewisse, das mich erwartete. Es war eine widersprüchliche Mischung von Gefühlen. Meine nun wiedergewonnene, teilweise Freiheit hing buchstäblich an seidenen Fäden. Ein falscher Move und ich würde wieder im Gefängnis landen, dann wohl ohne eine weitere Chance auf Therapie. Es war also keine wirkliche Freiheit, aber es war eine ratenweise Chance der echten Freiheit näherzukommen. 

Mit Gedanken dieser Art starrte ich auf die vor uns liegende Straße. Gleichzeitig sog ich den Anblick von Menschen und Straßen und dem freien Sommerhimmel darüber ein, denn ich hatte all diese Dinge seit Monaten nicht mehr erlebt. Ich sah auf banale Alltagsszenen im Straßenbild einer Stadt, die auf einmal wertvoll für mich waren: Menschen an der Ampel. Frauen, die die Straße überqueren. Ein Mann in einem Cabrio. Ein Hund neben ihm. Wenn man monatelang nur Gefängniswände gesehen hat sind solche Anblicke pures Gold.

Passend dazu sagte meine dunkelhaarige Drogenberaterin nur wenige Augenblicke später: “Diesmal musst Du es aber durchziehen!” Ich wusste natürlich, dass sie recht hatte. “Auf jeden Fall!” entgegnete ich lächelnd und fügte dann mit erstorbenem Lächeln noch hinzu: “Dahin möchte ich nicht unbedingt zurück…” Sie nickte und sagte bloß: “Gut!”

Münster lag schnell hinter uns und bald rahmten uns die Leitplanken der Autobahn ein. Meine Gedanken rannten im Kopf umher und ich fragte meine Drogenberaterin: “Wie ist es da?” Es war wirklich die exakte Kopie unserer damaligen Fahrt, sogar die Fragen waren gleich. Ein echtes Déjà-vu. Während sie unablässig den Verkehr um uns herum beobachtete, sagte sie nur: ”Soweit ich weiß, soll es ganz gut da sein. Ich habe schon ein paar Klienten dahin gebracht. Die meisten fanden es wohl ganz gut.” Hatte sie beim letzten Mal nicht genau dasselbe geantwortet? Aber was sollte sie auch anderes sagen? Sie war eine Drogenberaterin und natürlich konnte sie nicht im Detail wissen, was mich da genau erwartete. Sie machte ihren Job und sie machte ihn augenscheinlich sehr gut, denn dank ihr war ich immerhin recht schnell wieder aus dem Gefängnis rausgekommen. Ich war ihr dankbar dafür. Ich atmete tief ein und aus. Na ja, wir würden sehen müssen… Ich musste es selbst erfahren und herausfinden.

Als die ersten Hinweisschilder mit dem Ortsnamen “Bergisch Gladbach” auftauchten, stieg meine Aufregung. Schon wenig später fuhr der rote Kleinwagen durch eine altertümliche Toreinfahrt und dann sah ich es zum ersten Mal: Das ockergelbe Schlößchen, umfasst von einem Burggraben, der ganz grün vor Algen war.

Die beschauliche Szenerie wurde recht freundlich von der Junisonne beschienen, als wir auf dem Innenhof einrollten. Auf den ersten Blick sah es eigentlich ganz schön aus. Eine kurze Steinbrücke führte über den Graben auf die alte, hölzerne Eingangstüre zu. Ein paar junge Leute lehnten rauchend an einem Geländer. Als ich mit meiner kalkweißen Gefängnisblässe und den schweren Taschen an ihnen vorüber ging, beäugten sie mich, aber es war viel weniger gruselig als im Knast. Es waren sogar junge Frauen darunter. Ein paar sahen mich recht verkniffen an, andere lächelten und sagten: “Hi!”

Ich tat einen Schritt in die angenehme Kühle des Schlößchens hinein und war überrascht. Immerhin, verglichen zu meinem vorherigen Domizil, der Justizvollzugsanstalt Münster, musste man es als einen gehörigen Aufstieg bezeichnen. Ich drehte mich im Eingang noch einmal um, und sah im grellen Sommerlicht über den Burggraben hinweg eine Baumallee entlang, zu deren Seiten sich Wiesen ausbreiteten und an deren Rändern vereinzelt ein paar kleinere Gemüsebeete angelegt waren. Das sah alles nicht übel aus. Da war ein freier Himmel. Da waren Farben. Am hinteren Ende der kleinen Baumallee wartete ein mit Sand aufgeschütteter Volleyballplatz darauf, bespielt zu werden. Der Sommerwind bewegte die Blätter in den Baumkronen und das erzeugte dieses wunderbare Geräusch, jenes Blätterrauschen, welches mich schon seit Kindertagen immer besänftigte, wenn ich es vernahm. Angesichts dieser Schönheit tat ich einen kleinen Glücksseufzer und ich spürte wie eine ganze Reihe Steine von meinem Herzen kullerten. Meine Sorgen waren wie so oft unbegründet gewesen. Dies war bestimmt kein schlechter Ort.

Mit neuem Mut wandte mich wieder der Empfangshalle zu, wenn das nicht ein zu großspuriges Wort ist, für jenen hohen Raum, in dessen kühlem Halbdunkel ich mich nun überaus neugierig umsah. Schließlich wollte ich ja schnell sehen und verstehen, wo ich nun gelandet war. 

Der große Raum wurde von einer dunklen, breiten Holztreppe dominiert, die sich linkerhand im Halbkreis zu den höheren Etagen emporwandte. In einer Nische, in der Krümmung der Treppe, hing eine große, golden glänzende Messingglocke. Sehr merkwürdig. Aber gerade diese Glocke, die mir nun erstmals ins Auge fiel, spielte eine geradezu tragende Rolle in diesem Haus und in den kommenden Monaten würde ich noch lernen, was es damit auf sich hatte.

Es dauerte nicht lange und ich wurde sehr freundlich von eilends herbeistürmenden Mitarbeitern begrüßt. Meine schüchterne Unsicherheit verflog schnell, denn ich spürte, dass diese Leute solche Situationen gewohnt waren. Mit ihrer entspannten Gelassenheit und freundlichen Worten nahmen sie mir schnell meine Scheu. Alles was jetzt folgte, geschah in einer gewissen, geölten Routine, denn das Kommen und Gehen von Patienten gehörte hier quasi zum Tagesgeschäft. So wurde ich auch gleich mit freundlicher Professionalität übergangslos durch das Aufnahmeprozedere geleitet. 

Nach ein paar wenigen Formalitäten im Büro der Therapeuten, wurde ich von zwei Patienten abgeholt und durch das Haus geführt. Alle Gegebenheiten wurden mir ausführlich gezeigt und erklärt. Eine Unmenge von Regeln, Namen, Räumen und Terminen prasselte auf mich ein.

„Das kommt Dir jetzt viel vor, aber bald hast Du alles drauf, dann läuft das wie von selbst!“ sagte das blonde Mädel neben mir, als sie spürte, dass ich von der schieren Menge der Informationen etwas überfordert war. Sie war das erste Mädchen, das ich seit Monaten sah. Auch das fand ich natürlich irgendwie aufregend. Danach wurden in meinem Beisein sämtlichen Sachen aus meinen beiden Taschen von meinen beiden Begleitern doppelt gefilzt. Sie befühlten jede Naht meiner Klamotten und kontrollierten jede Socke. Dabei waren sie penibelst genau, um sicherzugehen, dass ich keine Drogen bei mir hatte. Als das getan war, schleppten wir meine Sachen auf eines der Zimmer, in dem ich wie jeder Bewohner von nun an ein Bett und einen kleinen Schrank haben würde. Ich sah an der Anzahl der leeren Betten, dass ich den Raum wohl mit drei weiteren Jungs teilen würde. Alles in allem wirkte das Schlößchen recht freundlich auf mich und dem ersten Augenschein nach, waren wir hier wirklich gut untergebracht. Durch das sonnenhelle Fenster winkten die vom Wind bewegten Bäume herein.

Ich kam also frisch aus der Haft in der neuen Therapie an und wie es der Zufall so wollte, gingen wir an diesem ersten Nachmittag gleich gemeinsam ins Freibad. Ich brauche hier nicht zu erklären, wie durchaus erfrischend das für mich in vielerlei Hinsicht war. Nach Monaten kam ich quasi direkt aus dem Schatten meiner Zelle in den sonnigen Pool. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Da liefen echte Mädchen aus Fleisch und Blut in Bikinis rum. Ich genoss jedes kleinste Detail. Die Sonne, die Gerüche von Gras, Chlor und Sonnenmilch. 

Ich stand, ganz bleich und beeindruckt, zwischen tobenden Kindern, halbnackten Frauen und all dem anderen lebendigen Treiben, welches üblicherweise an einem Sommertag in solch einem Freibad herrscht. Aus der Reduziertheit des Gefängnisses, aus der Entsagung und Enge, auf einmal in dieser strahlenden Buntheit zu stehen und die Gerüche einzuatmen, war überreich. Dankbar spürte ich die Sonne auf meiner Haut und sog alles in tiefen Atemzügen ein, sprang ins Wasser und tauchte ein, in eine wiedergewonnene Freiheit, deren Wert ich nun mehr zu schätzen wusste als je zuvor.

Auschnitt (Anfang des Kapitels „Daytop“) aus „Höllensturz“ (Umwege. Die innere Reise. Band 2, noch unveröffentlicht)

Entscheidungen

Trude, das Kanonenweib, die Hexe und ehemalige Mannheimer Hure wurde irgendwann selbst für die geduldigsten Therapeuten untragbar, weil sie einfach nicht damit aufhörte, ständig unfassbare Obszönitäten von sich zu geben. Sie war halt so und sie blieb sich treu darin. Trude war in diesem Punkt, ob nun gewollt oder ungewollt, beratungsresistent. Ihre verbalen Entgleisungen, die zwar immer noch zur allgemeinen Belustigung beitrugen und die in den unpassendsten Situationen nach wie vor ungläubiges Gelächter, Schamesröte und betretenes Kopfschütteln hervorriefen, wurden letztlich untragbar. Sie sank vor allem im Ansehen der Therapeuten, die diese Aussagen von ihr auf Dauer nicht dulden wollten und als alles nicht half, musste Trude schließlich irgendwann gehen. 

Sie war wütend über ihren Rausschmiss und während sie ihre Sachen einsammelnd durch das Blockhaus lief und fluchend ihre Koffer packte, stieß sie die übelsten Flüche und Schmähungen aus. Die Umstehenden lachten zum Teil, weil es eben zu lustig war, was sie sagte und wie sie schimpfte. Es war eine Komödie, ein vulgärer Vulkanausbruch. Sie lief zur Höchstform auf, während sie fahrig ihre Kleider zusammenstopfte und fluchte dabei wie ein Schwermatrose. Heute glaube ich, dass sie sich in diesem Moment verraten und verhöhnt vorkam, weil wir so fröhlich wirkten. Sie muss sich ungeliebt vorgekommen sein. Sie muss gedacht haben, dass wir sie verspotten. 

Nicht anders lässt sich jedenfalls erklären, warum Trude sich so grausam an uns allen rächte, als man sie schimpfend und fluchend im Auto zum nächsten Bahnhof brachte. In ihrer unbändigen Wut und Enttäuschung plauderte sie den begleitenden Betreuern auf dieser Autofahrt alle pikanten Geheimnisse aus, von denen sie wusste. Und das waren inzwischen eine ganze Menge. Sie leierte also innerhalb ihrer Wutrede eine lange Liste von Schandtaten ab und ließ nichts aus. Sie wußte von Sex, Besäufnissen und vielen kleinen schmutzigen Geheimnissen und Regelbrüchen, die wir in der Therapie hinter den Rücken der Betreuer begangen hatten. Vom Rücksitz des Autos her spie sie alles aus. Da legten die Therapeuten natürlich die Ohren an.

Wir saßen alle betreten im Stuhlkreis und starrten auf unsere Füße, die nur in Socken steckten, denn die Sauberkeit der Therapieräume wurde dadurch geschont, dass wir unsere Schuhe vor der Türe auszuziehen hatten. Der Raum war achteckig, denn Rudolf Steiner hatte etwas gegen rechte Winkel, glaube ich. In diesem Octagon herrschte eine fast atemlose Stille und Anspannung. Die ganze Gruppe, also alle Bewohner der beiden Blockhäuser, waren zur Krisenintervention in diese Sondergruppe gerufen worden. Ausnahmezustand. Wir durften nicht miteinander reden. Wir tauschten vielsagende Blicke und bissen uns auf die Zähne.

Vorher hatten wir die Anweisung bekommen, alle Regelbrüche, von denen wir wussten, aufzuschreiben. Diese Listen hatten wir nun schon abgegeben. Unsere Beichten quasi. „Es geht um Euren weiteren Aufenthalt bei uns!“ hatte der Therapeut streng und wütend erklärt. „Wenn ihr etwas verschweigt, von dem wir nun wissen, dann müsst ihr gehen, ohne ‚Wenn und Aber‘! Dies ist jetzt die letzte Gelegenheit, sich ehrlich zu machen! Wir brauchen hier Ehrlichkeit, sonst haben wir keine Grundlage für eine funktionierende Zusammenarbeit mehr!“

Sie hatten uns natürlich nicht gesagt, was sie alles wussten. Das war ein sehr cleverer Schachzug. Jetzt pressten sie noch die allerletzten Geheimnisse raus. Schwitzend hatten alle über ihren Zetteln gesessen und darüber nachgedacht, was Trude gewusst haben konnte und was nicht. Und was würden die Anderen beichten? Wer würde dichthalten? Wie groß würde diese Lawine der Schande werden? Naja, jetzt waren die Listen jedenfalls abgegeben und wir harrten der Dinge, die da über uns kommen würden. Auf einmal war richtig Druck im Busch. Es war ein sehr spannender Moment, immerhin ging es ja um Knast für mich. 18 Monate, wenn es schlecht lief.

Der Therapeut kam nun nach einiger Zeit aus seiner Teambesprechung mit strenger Miene zurück und wir erwarteten ihn wie einen Richter, wie Angeklagte, die ihren Schuldspruch entgegennahmen. Die Spannung im Raum war hoch und löste sich nur langsam, als die Dinge im Einzelnen zur Sprache kamen und geklärt und besprochen wurden. Es verlief glimpflicher, als ich erwartet hatte, bis der Punkt kam, an dem der Therapeut mit ernster Miene fragte, wer denn noch alles mit Pocahontas geschlafen habe. „Ich bitte da um ein Handzeichen!“ sagte er und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Und ich sah Pocahontas an. Sie verbarg ihr rotes Gesicht, peinlich berührt von Scham und wegen der Ungeheuerlichkeit der Situation lachend, hinter ihren Händen. Zögernd hob ich meinen Arm und ich war nicht schlecht geschockt, als ich sah, wie in dem Raum ein Männerarm nach dem anderen aufzeigte. 

Am Ende waren es mindestens fünf Arme, die in die Luft zeigten. Ich war entsetzt. Siehe da: Pocahontas war wohl ziemlich zugänglich gewesen. Ich hatte gar keine Zeit meine Gedanken und Gefühle zu sortieren, denn nun verkündete der Therapeut, dass angesichts dieser Lage keine andere Entscheidung möglich sei, als dass Pocahontas nun auch gehen müsse. Ja, das war klar. Ein solches Mädchen würde den Laden ständig durcheinanderwürfeln. Sie war zu hübsch und zu heiß für dieses Camp. Ich blickte in die Runde und mir wurde klar, dass in der Gruppe einige in sie verliebt waren und ich gehörte wohl auch dazu.  

Nach ein paar Schrecksekunden dämmerte mir, dass die Therapie ohne sie ihren ganzen Zauber verlieren würde. Sie wäre einfach nicht mehr da. Sie würde überall fehlen. Ihre Stimme würde nicht mehr, hoch und schön, durch die Gänge hallen, mein Blick würde sie nicht mehr finden, wenn wir morgens zum Stall marschierten. Sie wäre einfach nicht mehr da. Es würde keine verstohlenen Blicke mehr in grüne Augen geben, keine heimlichen Küsse, kein vielsagendes, keckes Lächeln aus diesem hübschen Gesicht. Von nun an würde dieser Ort wie ein Himmel ohne Sonne sein. Ich stellte mir vor, wie leer sich alles ohne sie anfühlen würde und in meiner Brust zog sich etwas zusammen. 

Und deswegen ging ich gleich mit. Einzig von dem Impuls getrieben, dass ich mir eine Zukunft in der Therapie ohne sie nicht vorstellen konnte. Ich packte meine Sachen, ohne noch weiter darüber nachzudenken.

Heute, 30 Jahre später, sitze ich an meinem Laptop und tippe mit sehr gemischten Gefühlen diese Zeilen in die Tastatur. In meiner Erinnerung sehe ich dies alles noch ganz deutlich vor mir und ich empfinde sogar sehr deutlich nach, was ich damals fühlte. Diese Mischung aus Verliebtheit, Aufregung und Ungewissheit. Ich kann mein jüngeres Ich verstehen, aber gleichzeitig weiß ich auch, was danach passierte und was für eine kolossale Fehlentscheidung das damals war. Es ist einer der wenigen Momente, die ich wirklich bereue. 

Wieder einmal traf ich eine folgenschwere Lebensentscheidung ohne jede Vernunft, ohne jeden Verstand. Meine Gefühle und meine gehegten Vorstellungen von der Zukunft machten es mir damals unmöglich, anders zu handeln, obwohl ich wusste, dass es unweigerlich lebensverändernd sein würde, wenn ich jetzt ging. Ich hätte bleiben dürfen. Und nach einer Weile hätte ich mich sicher an die neue Situation gewöhnt. Tja, das wäre viel besser für mich gewesen. Aber über eine solche Vernunft verfügte ich einfach nicht. So bog ich in einen weiteren Umweg des Lebens ein, einen Weg, der mich steil nach unten führen und Leid in neuer Dimension bedeuten sollte.

Pocahontas und ich wurden am nächsten Morgen zum Bahnhof gebracht. Wir ließen die Holzhütten und den Bodensee, die schöne Natur, die Kühe und die Alpen und all diese Schönheit hinter uns. 

Da standen wir am Gleis und ihre schwarzen Haare wehten im schneedurchstöberten Wind und sie lächelte mich verunsichert an. Wir waren beide von den Ereignissen überrumpelt worden. Wir fuhren noch eine Strecke mit dem Zug zusammen. Da saß sie mir gegenüber. Bei Regensburg musste sie raus. 

“Du kannschd bei mir schlafa…” bot sie mir an, als die gemeinsamen Minuten schließlich knapp wurden. Sie erzählte mir schnell, dass sie zwar bei den Eltern wohnte, aber ihr eigenes Reich im Elternhaus habe. Das wäre alles kein Problem. Ich schüttelte den Kopf und küsste sie ein letztes Mal und schmeckte das Salz ihrer Tränen. Dann entstieg Pocahontas, dieses wunderhübsche Mädchen, mit einem letzten weinenden Blick über ihre Schulter hinweg, dem Zug und meinem Leben.

Aus dem zweiten Teil von „Umwege. Die innere Reise“: „Höllensturz“ (Augenblicklich in Arbeit, wird wahrcheinlich noch dieses Jahr -2024- erscheinen)

Geistertrude

Eines Abends saßen wir bei Kerzenschein in einem der beiden Blockhäuser im Gemeinschaftsraum beisammen und Trude hatte die glorreiche Idee, dass wir „Gläserrücken“ machen sollten. Ich wusste gar nicht, was das ist und deswegen war ich mir unsicher, was ich davon halten sollte. Einerseits fand ich es albern, aber andererseits hatten wir ja nicht viel Abwechslung in unserer Freizeit. Außerdem war ich mir auch nicht ganz sicher, ob das alles nur Blödsinn war mit der Geisterwelt. Trude war sich zu 100% sicher, dass diese Dinge zweifelsfrei real waren und so setzte sie mit ihrer Dampfwalzenmentatlität durch, dass wir uns zu einer Geisterbeschwörung trafen. Sie duldete keinen Widerspruch.

Noch in dieser Nacht stellte das dunkle Blockhaus, mit den zugeschneiten Fenstern und dem zuckenden Kerzenlicht darin, die ideale Kulisse für das, was sich nun ereignen sollte. Ob man nun an sowas glaubte, oder nicht: Es wurde recht schnell ziemlich unheimlich in dem Raum. Wir saßen um den großen runden Tisch und das Kerzenlicht spiegelte sich in unseren Augen. Am Tischrand hatten wir auf Zettel geschriebene Buchstaben ausgelegt. Außerdem lagen in der Mitte zwei Karten mit „Ja“ und  „Nein“. Trude rief uns alle auf, dass wir ganz still sein und uns konzentrieren sollten. Alle berührten wir mit einer Fingerkuppe das umgedrehte Glas in der Tischmitte und dann rief sie theatralisch in das Dunkel hinein: „Geischt, bisch Du da?“ Erst passierte gar nichts. Aber dann begann das Glas ganz leicht zu rucken und wenig später bewegte es sich dann recht eindeutig in eine Richtung. Bald schon schoss das Glas, wie von Geisterhand bewegt, hin und her über den Tisch. Einer von uns notierte die Buchstaben und Zahlen.

Im Laufe dieser Séance, die sich zu einem dramatischen Höhepunkt steigerte, nahm nun unsere gute Trude mit ihrem toten Vater Kontakt auf, beziehungsweise meinte sie Kontakt mit ihm aufgenommen zu haben. Jetzt wurde es vollkommen grotesk und unheimlich. Wir waren alle so angespannt, dass uns die Nackenhaare zu Berge standen. Schließlich, wie in einem schlechten „Edgar Wallace“ Film, fragte sie, nur spärlich und silhouettenhaft von einer der Kerzen angeleuchtet und in ihrem ureigenen Mannheimer Dialekt:“Hät se Dich umgebracht?“ Und als das Glas dann ruckelnd auf die „Ja“ Karte zusteuerte, schrie sie grell auf und begann schrecklichst zu weinen und ihr zuckender Schatten tanzte hinter ihr im unsteten Kerzenlicht an der hölzernen Wand.

Also das war vielleicht eine Vorstellung!

Unter Tränen erzählte sie uns nun ihre Geschichte. Sie handelte von dem guten und reichen Vater und der schlechten Mutter, die, so glaube ich, mich heute noch zu erinnern, beide inzwischen verstorben waren. Die Atmosphäre in diesem Raum war nun absolut gespenstisch. Umzüngelt von tanzenden Kerzenlichtschatten berichtete sie, dass man sie entmündigt hatte und ihr eigentlich ein Erbe von 2,8 Millionen zustünde. Angeblich würde dies derzeit von einem Treuhänder verwaltet. Man mochte es glauben oder nicht. Ferner verdächtigte sie ihre Mutter den Vater umgebracht zu haben. Ob sie nun log, verrückt war oder nicht: Dies war einer der gruseligsten Momente meines Lebens. 

Später, als wir die Séance fortsetzten, gab der Vater sogar noch ein Aktenzeichen durch, welches sie sich genauer ansehen solle. Im Morgengrauen beendeten wir diese anstrengende Sizung und jeder schlich zutiefst irritiert in seine Kammer.

Seit dieser Nacht klebte jedenfalls ein Russe an ihr. Für die Aussicht auf Millionen war er nur zu gerne bereit, über ihre Körperfülle und das unmögliche Benehmen hinwegzusehen. Mir zwinkerte er immer grinsend zu und sagte: „Dwa sepetaja vosem“ oder so ähnlich, es hieß „Zwei Komma Acht“ auf russisch und gemeint waren die 2,8 Millionen von unserer schandmäuligen Mitbewohnerin. Er lachte mich an und dann schlich er durch den Schnee zu ihrem Zimmer, um sie zu besteigen, denn dass Trude brünstig und willig war, hatte sie von der ersten Minute ihres Therapieaufenthaltes unaufhörlich verkündet. Einmal brüllte sie es über die ganze Anlage hinweg und wir lachten uns wieder einmal kaputt, weil man gar nicht anders konnte. Die Ärmste wurde jedoch für diese Entgleisung von unseren Therapeuten für einen ganzen Tag in „Klausur“ geschickt, also in Einzelhaft, auf ein separates Zimmer, wo sie sich besinnen sollte.

Eines Nachts schlichen wir uns aus der Einrichtung davon. Trude, ihr Russe, Pocahontas und ich. Wir wollten ausbüxen und irgendwo etwas trinken gehen, ein bisschen feiern. Schleichend entfernten wir uns als schwarze Schatten von den Blockhäusern, als alle anderen schon schliefen. Zu viert liefen wir durch den knietiefen, im Mondlicht silber-blau leuchtenden Schnee. Wir wanderten an dem Hof vorbei, in dem wir tagsüber arbeiteten und drangen danach in unbekanntes Gebiet vor. Keiner kannte sich hier aus. Wir gingen einfach ins Ungewisse, in die fremde Dunkelheit zwischen Waldrand und weitem Tal. Silbern vom Mondlicht beschienen, kicherten wir mit einem diebischen Vergnügen über unsere unverfrorene Tat. Ein aufregendes, belebendes Gefühl von verbotenem Abenteuer kam in uns auf. Wir lachten über das Glück, über diese gestohlene Freiheit. Sie prickelte wie Sekt in unseren Adern.

Der große, volle Mond ließ die Schneekristalle wie kleine Diamanten glitzern und es passte auf wundervolle, vollkommene Art und Weise zu den Sternen über uns. Wir stapften kichernd und lachend durch den leise knarzenden Schnee. Es war sehr aufregend. Es war natürlich streng verboten. Es war im wahrsten Wortsinne traumhaft. Wir bahnten uns unseren Weg durch den tiefen Schnee, umrahmt von den schwarzen, gezackten Silhouetten der hohen Tannen bis wir irgendwann, schon tief durchnässt, eine Landstraße fanden, deren Verlauf wir daraufhin folgten.

Wir hatten die Hoffnung, dass wir dann zwangsläufig eine Ortschaft finden würden. Wie weit das sein mochte, konnten wir nicht wissen. Wir gingen einfach.

Wir kicherten, knutschten und marschierten wie die Kinder. Als wir der Straße einige Kilometer gefolgt waren, fanden wir tatsächlich einen kleinen Ort. Einer von uns hatte eine Bankkarte dabei. Wir zogen Geld an einem Automaten und gingen in die nächste Bar. Es war eine Dorfbar und wir waren die einzigen Gäste dort. Nach ein paar Stunden und einer Flasche Vodka kehrten wir sturzbetrunken, gerade noch rechtzeitig, kurz vor dem Wecken, zurück in unser Öko-Therapie-Dorf und krochen, nur Minuten vor dem Wecken, in unsere Betten. 

Keiner merkte etwas. Ich ging in den kommenden Nächten nun öfters durch den hüfthohen Schnee zu der benachbarten Holzhütte hinüber in der Pocahontas schlief, stieg durch das Fenster in ihr Zimmerchen, sank in ihr warmes Bettchen, zwischen ihre Schenkel und wir liebten uns flüsternd und heimlich im Dunkel ihres Raumes. Wenn ich es heute schreibe, hört es sich wie ein kitschiger Film an, zu perfekt für das wahre Leben, aber es war wirklich so. Draußen war es kalt und klar und aus dem Dunkel ihres Zimmers umfingen mich ihre Beine und Arme und leuchteten mich zwei grüne Augen an.

Sie war neunzehn. Ich glaube sie hat mir damals erzählt, dass ihr Vater Mexikaner war. Jede einzelne Moment bei ihr war gestohlen, war verboten und verwegen und deswegen waren diese Minuten wertvoll wie Aztekengold. Ich stahl sie des Nachts wie ein Dieb. Ich schlich unter Sternenlicht durch leuchtenden Schnee, steig bei ihr ein und versank im Amazonas-Dschungel, drang in den Inkatempel ein und nahm all ihr Gold. Sie hatte eine schöne, bronzene Haut, glatte pechschwarze Haare und ein hübsches Gesicht, dessen Konturen das fahle Mondlicht nachzeichnete. Ihre glockenklare Stimme stöhne leise und lustvoll in mein Ohr. Reicher kann ein Moment nicht sein.

Aus „Höllensturz“ Band 2 der Reihe „Umwege. Die innere Reise.“ Auszug aus dem Kapitel „Pocahontas“ Das Buch erscheint vorraussichtlich noch in 2024.

Kuhärsche

Weil ich, wie gesagt, eine akute Hepatitis C hatte und ich mich etwas schonen sollte, bekam ich im Kuhstall eine weniger anstrengende Rolle zugeteilt. Während die anderen Mist aufgabelten und in Schubkarren auf den großen Misthaufen schoben, bestand meine Aufgabe darin, die Tiere zu reinigen.  Eine sehr alte Dame, die mindestens einen der beiden Weltkriege noch persönlich erlebt hatte, unterwies mich militärisch und dementsprechend knapp und ruppig in meinem neuen Betätigungsfeld. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ ich diesen Tonfall über mich ergehen und beäugte sie dabei aus feindseligen Augenschlitzen. Die energische alte Bäuerin hatte eine drahtige Figur und trug ihr weißes Haar unter einem Kopftuch. Trotz ihres hohen Alters war sie noch wieselflink. Sie stand vor mir wie ein SS-Hauptmann. Mit schneidender, harter Stimme und rollendem “R”, trug sie mir kurzerhand auf, dass ich mich hinter die jeweilige Kuh stellen und die von getrocknetem Kuhdung starrenden Schweife einfangen solle: „Dann nimmst Du den Eimer her…Hier… So unter den Arm… und mit der anderen Hand fängst Du den Schweif und hältst ihn in den Eimer, damit sich der Dreck löst! Da fang an!“ Für mehr erhellende Worte hatte sie keine Zeit. Schon marschierte sie wieder von dannen und ließ mich allein hinter dieser langen Reihe kolossal verdreckter Kuhärsche stehen. Ich stand da zunächst recht ratlos und versuchte dann, recht schüchtern meinen ersten Kuhschweif zu fangen.

Die Kühe stanken gottserbärmlich. Sie hatten in ihren Fladen gelegen und sie waren wirklich komplett voller Mist und Dreck, der eingetrocknet in dicken Krusten an ihren Flanken klebte. Weil sie im Winter eingelagertes Stroh mit Melasse fraßen, hatten die Rindviecher alle Durchfall. Der Stall war eine olfaktorische Hölle. Der ganze Saal war vollgeschissen und vollgepisst. Ich rang nach Luft.

Jetzt stand ich da, eben noch quasi Vortänzer in der Königsburg, mit Gummi- statt Cowboystiefeln im Stall und versuchte Kuhschwänze zu fangen. Das war gar nicht so einfach, denn sie schlugen ständig nach Fliegen damit. Diese Rinderart hatte sehr lange Haare an ihren Schwänzen, es waren richtige Schweife, wie Pferdeschwänze fast. Diese langen Haare an ihren Schweifen sahen aber aus wie Dreadlocks, weil sie mit altem, versteinertem Mist verklebt waren, der in runden Kugeln und langen Würsten darin hing. Mit einem Eimer kalten Wassers unter dem Arm stand ich nun da und hatte den unmissverständlichen Befehl, diese zuckenden Mistpeitschen einzuweichen.

Man kann sich vorstellen, wie begeistert ich davon war. Und auch die Kuhdamen waren von dem ganzen Plan wenig angetan. Wer will schon seinen Schwanz in kaltes Wasser getaucht bekommen? Also ich jedenfalls nicht! Und so verstand ich es auch prinzipiell, dass sie sich nicht selten dabei widersetzten. Es konnte vorkommen, dass sich mir ein solcher Dungzopf entriss und dann peitschten sie ihn mir, halb eingeweicht, rechts und links, um die Ohren. Ein durchaus verzichtbares Erlebnis. Den mistverklebten Schweif zogen sie mir wie einen Pinsel, kreuz und quer durch mein verdutztes Königsgesicht. Was für ein Bild: Ich stand hinter der langen Reihe der verkackten Rindviecher und machte Armdrücken mit den Mistpeitschen, während ich den Eimer mit dem dreckigen, kalten Dungwasser unter dem anderen Arm hielt. Alles schwappte über mich und ich fühlte mich vom Schicksal verarscht. 

Wenn eine Kuh den Schwanz am Ansatz leicht anhob, dann musste ich schnell zur Seite springen, denn dann war sie im Begriff, einen Schwall breiartigen Melasse-Dünnschisses nach hinten abzufeuern. Nicht selten taten sie es mit solcher Wucht, dass der Strahl an die Wand hinter mir spritzte. Die Kühe schissen also sprichwörtlich die Wand an und ich jumpte dahinter mit meinem Eimer voller stinkender Brühe umher, wie Supermario bei Donkey Kong. 

Wenn ich die Kühe striegelte und zwischen ihnen stand, lief ich zwar nicht mehr Gefahr angeschissen zu werden, aber dann kam es vor, dass sie mich fast zerdrückten. Wenn zwei Rinder, die jedes circa eine halbe Tonne wogen, mich einklemmten, konnte ich sie nur mit einem gezielten Ellenbogenhieb in ihre Rippen davon abhalten mich plattzudrücken. Also wirklich leberschonend war dieser Job auch nicht. Nach einer Weile schaffte ich es, ca. 3 Kühe pro Tag zu säubern. Mit größter Mühe und Anstrengung gelang es mir, sie zu striegeln, abzuwaschen und ihnen den trockenen Mist vom Leib zu kratzen. Ich stand schweißgebadet daneben. Die Kuh sah aus wie neu! Ich hingegen spottete jeder Beschreibung. Ich war von oben bis unten voller Mist und Stroh und stank bis weit in die Alpen hinein.

Dies ist ein Auszug aus dem Kapitel: „Pocahontas“ aus dem Buch:

„Höllensturz“ – Umwege. Die innere Reise. Band 2

Erscheint voraussichtlich noch in 2024…

Der Glücksfall

Irgendwann in dieser Zeit, da ich auf der Bahnstraße in diesem Loch wohnte, ja hauste, und auf dem besten Wege war ein ganz gewöhnlicher Junkie zu werden, als ich mich in einer Phase der Transformation in eine noch tiefere Daseinsform befand, gab es dennoch Erlebnisse, die wie letzte Funken meines früheren Daseins, als Posterboy und Held des Nachtlebens erschienen. Damit hatte ich ja eigentlich nichts mehr zu tun. Das war ein anderer Mensch gewesen, den ich schon so gut wie vergessen hatte. Die folgende Episode passte so gar nicht ins Bild, aber dennoch ereignete sie sich. Ich begriff es selbst nicht. Mein Sexleben war eigentlich im Heroinrausch schon eingeschlafen. Der Gedanke an Sex kam gar nicht mehr auf.

Da gab es eine wunderschöne Halbkoreanerin mit einer fabulösen Figur. Das war vielleicht ein Wesen! Sie war eine flesichgewordene Männerphantasie. Eine wunderschöne, blutjunge Frau aus einem guten Hause, die, soweit ich weiß, einen Einserschnitt in der Schule hatte und in ihrer Freizeit Piano spielte und koreanisches Ballett tanzte. Also sie war wirklich toll, eine edle Porzellan-Figur, ein exotisches, intelligentes und gepflegtes Mädchen und ein Geschoss vor dem Herrn. Für mich eine Zehn von Zehn. Sie war einfach schön. Sie hatte diese eurasischen Mandelaugen. Ich fand, dass sie ein perfektes, atemberaubendes Weib war. Ihr Körper war durch das ständige Ballett in optimaler Form, ihre Fesseln und Waden waren stramm und glänzten wie Seide. Mein Gott, sie war unfassbar hübsch und sie hatte diese idealen, großen, schönen Titten. Brüste wie auf dem Reißbrett entworfen. Ein Hauptgewinn. Ein Diamant. Solch ein edles Wesen wäre für mich in meinem versifften Zustand normalerweise unerreichbar gewesen.

Ich dachte eigentlich gar nicht mehr groß an Frauen, denn das Heroin hatte neben diversen anderen Körperfunktionen, auch meine Lust auf Sex abgetötet. Es war mir scheißegal geworden. Ich war entspannt.

Manchmal ist es aber so, dass blitzsaubere Mädchen aus gutem Hause, einen Drang haben sich den „Bad boys“ zuzuwenden. Vielleicht tun sie das, um den strengen Eltern etwas auszuwischen, ich weiß es nicht. Es ist mir unbegreiflich, warum sie etwas von  mir wollte. Jedenfalls musste ich dem lieben Gott dafür danken!

Jedenfalls steckte in meinem Briefkasten, am dreckigen Tor des Hinterhofes, eine schöne Rose und eine Nachricht. Ich konnte es kaum glauben. Ich kam von irgendwo her und fand in dem grauen Dreck an dem schäbigen Holztor, in dem Briefschlitz, eine rote, langstielige, elegante Rose. Sie war der einzige Farbfleck auf der ganzen verdammten Straße. Es war eine blutrote Nachricht aus einer anderen Welt. 

Das ganze war absolut unwirklich und ein sehr seltener und deswegen ein umso köstlicherer Glücksfall. Ein Geschenk des Schicksals. Einmal bug sie mir einen Schokoladenkuchen und legte ihn vor dem versifften Tor meines dreckigen Hinterhofes ab, weil ich wohl wieder nicht zuhause gewesen war, als sie ihn gebracht hatte. Ihre süße Tat stand in krassem Widerspruch zu meinem sonstigen Alltag. Mitten in meinem abgefuckten Alltag lag dieser süße, herzzerreißende Kuchen. Solcherlei Dinge gab es sonst nicht mehr in meinem Leben: Weiblichkeit, Schönheit, Süße.

Irgendwann, als ich besoffen im „Schlachthof“ tanzte, einer Musikkneipe direkt um die Ecke, klingelte mein Handy. Es war noch so ein Nokia, ein Steinzeithandy. Das kleine Display leuchtete grünlich auf und da war sie dran. „Warte ich kann Dich nicht verstehen…“ Ich torkelte zwischen verschwitzten Betrunkenen hindurch und schob mich auf die Straße.

„Hast Du Bock zu mir zu kommen?“ fragte ihre Engelsstimme aus dem winzigen Hörer. Und ich hatte. Also ging ich nachts zu ihr und warf unterwegs meine Spritze und den Löffel in ein Gebüsch. Ich dachte, das gehört sich nicht mit ner Pumpe in der Tasche zu einem so schönen Mädchen zu gehen. Später habe ich es bereut, dass ich die Spritze weggeworfen hatte, denn sie hatte Koks da.

Also zog ich mir eine fette Nase und dann zogen wir uns aus und vereinigten uns, in völligem, gegenseitigen Einvernehmen. Ich habe es aus vollen Zügen genossen. Kokain machte mich immer notgeil. Sie war zu gut, um wahr zu sein. Ich betrank mich an ihrer Schönheit. Wir liebten uns die ganze Nacht… Wir kamen und taten es wieder. Es hörte nicht auf. Wir küssten uns leidenschaftlich. Es lebe das koreanische Ballett, es lebe die Völkerverständigung, es lebe das Universum, welches mir dieses wundervolle Geschöpf geschickt hatte!

Wir wollten am nächsten Morgen mit dem Bus in die Stadt fahren und eine Freundin von ihr besuchen, die im Sonnenstudio arbeitete. Aber irgendwie konnten wir die Finger nicht voneinander lassen. Wir gingen erst einmal duschen. Und wie hoch und weit sie ihre Beine spreizen konnte! Ich sehe noch heute diese schönen Szenen vor mir. Ein Edelporno. Ihre Mandelaugen hinter dem Dampf der heißen Dusche und ihre dicken schwarzen Haare, die in ihrem Gesicht klebten, die Wassertropfen, die an ihren Kurven hinabrollten, all das war wie in einem Film.

Und so verpassten wir einen Bus nach dem anderen, weil wir uns wieder auszogen, nachdem wir uns gerade angezogen hatten. Es war so einfach mit ihr, so süß. „Naja, der Bus ist jetzt auch wieder weg!“ lachte sie. Es war wundervoll. Sie war einfach so schön, so magnetisch, so sündhaft und verführerisch. Wir kamen nicht voneinander los.

Ich erinnere mich sehr genau daran, wie sie um ihren Mund herum von meinem Bart ganz rot gescheuert war. Wir hatten über Stunden geknutscht. Dieses Mädchen hatte mich glücklich gemacht.

Und als wir dann doch noch irgendwie, am späten Nachmittag, in dem Sonnenstudio ankamen, sah ich diese Freundin von ihr und sie war auch wunderschön und blutjung. Sie kam um eine Ecke geschossen und da stand sie. Ich weiß nicht, was in diesen Tagen los war, aber irgendwie ergab sich, dass ich mich kurz entschlossen auch mit diesem schönen Kind verabredete.

Geduscht und gestylt stand ich also ein paar Tage später vor der Tür dieser Sonnenbank-Freundin. Sie öffnete süß und hübsch und leuchtete aus großen Augen. Sie lebte noch bei ihren Eltern und hatte ein Zimmerchen im Souterrain. Ein kleiner, halbdunkler Raum war das. Viel mehr, als ihr antikes Bettgestell und ein großer Kleiderschrank passten gar nicht unbedingt hinein. Also setzte ich mich auf das Bett und dann ging alles wie von selbst. Sie war wirklich schön, fand ich. Ihr Körper war seidig und glatt und ihre Kurven und Linien verliefen stromlinienförmig, als wären sie im Windkanal getestet worden. Und dann dieser prachtvolle, satte Busen, ohne den es für mich nicht zu gehen schien. Das Mädchen war perfekt. Sündhaft schön. Sie war geschmeidig und glatt wie Seide. Und so passierte es, dass ich mich in dieses hübsche Kind verliebte.

Dieses Sonnenbankmädchen war eine ganz besondere Marke. Sie war noch viel jünger, als ich es gedacht hatte. Sie gestand mir, dass sie erst 16 Jahre war. Dafür war sie doch schon sehr frühreif und weit entwickelt. Sie ging in die Clubs und feierte und wirkte eher wie Anfang Zwanzig auf mich. Auch den Drogen war sie nicht abgeneigt und ich fand schnell heraus, dass sie ganz schön krass unterwegs war. Ein wildes, junges, unfassbar hübsches Mädchen, mit richtig PS unter der Haube.

Sie fragte mich, ob ich was dabei hätte und ich zögerte. „Das ist kein Spaß!“ sagte ich zu ihr. Aber als sie mir erklärte, dass sie schön öfter mit ihrem Ex-Freund genascht hatte, gab ich schließlich nach und wir rauchten ein paar Bahnen.

Da lag ich also in dem Kellerräumchen zwischen lauter weichen Kissen, Kuscheltieren und Decken und neben mir dieses braungebrannte, glatte, seidenweiche Mädchen und ich verliebte mich, während ich wieder so weich, feucht und angenehm in sie glitt und dabei so tief in ihre großen, schönen Augen sah.

In ihrem Zimmerchen auf dem alten geschwungenen Metallbett küssten wir uns und ich war für ein paar Stunden sehr zufrieden, aber dann stellte ich schnell, viel zu schnell, fest, dass sie durchaus ihre Launen und Stimmungsschwankungen haben konnte. Nach ein paar heftigen Tagen mit ihr, wollte sie dann ganz plötzlich nicht mehr. Es waren die Stimmungsschwankungen eines sehr jungen Mädchens, das mit sich selbst uneins war, das noch nicht mal die Pubertät richtig hinter sich hatte.

Sie hatte einfach keine Lust mehr, wie eine Katze, die sich erst streicheln lässt und dann blitzartig die Krallen ausfährt. Sie wandte sich plötzlich ab. Es war eine Minutensache. „Ne, doch nicht!“ So ging ich wieder, hatte aber irgendwie einen Pfeil im Rücken. Es tat mir sehr weh, da war von meiner Seite aus viel Gefühl drin. Aber gegen Herzschmerz hatte ich ja meine Medizin. Ich konnte das abtöten. Kein Problem. Aber das sollte es noch nicht gewesen sein mit ihr. Nennen wir diese fatale Schönheit „Sunny“, abgeleitet von Sonnenbankmädchen. Ich sollte sie wiedersehen. 

Wieder ging es am Jahresende nach Süchteln ins Landeskrankenhaus in die Entgiftung. Von dort aus sollte es im Anschluss direkt in die Therapie gehen. Die Szenen aus dem Vorjahr wiederholten sich. Ich kannte es ja schon alles dort, und dieses Mal wusste ich schon, wie es war, den Junkie-Hill im frühen Winter zur Turnhalle hinaufzugehen. Mit sehnsuchtsvollem und zerrissenem Herzen, in welchem ich die bange Erkenntnis trug, dass die freien Zeiten des Fliegens nun endgültig vorbei seien, atmete ich die würzige, kühle Luft ein, die nach Wald und modrigem Holz roch. Während ich über das feuchte Laub schritt, sah ich in meiner Phantasie meine Freunde, die weiterhin morgens zur Platte gingen, im Sonnenaufgang, wenn die Straßenkehrmaschinen noch durch die Fußgängerzone fuhren, wenn die klamme Kälte der Nacht noch kaum von der schwachen, aufgehenden Sonne vertrieben war. Ich sah vor meinem inneren Auge wie sie sich, mit dampfendem Atem, an den bekannten Ecken trafen, während sie auf den ersten Dealer des Tages warteten. Wie sehnte ich mich in diese Szene hinein? Ich sah, wie sie von einem Bein ungeduldig  aufs andere traten, wie sie sich gegenseitig um Zigaretten anschnorrten und dabei aus wartenden Augen spähten, aus welcher Straße, um welche Ecke er kommen würde. Der Erlöser, jemand, der etwas zu verticken dabei hatte. Neidisch erinnerte ich mich an diese Morgende und stellte dabei fest, dass ich das alles geliebt hatte. Dieses Junkiedasein. So schlecht und schwierig diese Art der Lebensführung auch sein konnte, es war auf eine andere Art auch frei und schön. Verdammt. Und ich stapfte hier in der Entzugsklinik den Junkiehill hinauf und war getrennt von all dem. 

Aus dem Kapitel: „Der heiße Löffel“ (Buch: „Höllensturz“ Umwege. Die innere Reise. Band 2.) Erscheint vorraussichtlich noch in 2024.

Grundschule

Im Sommer 1976, wurde ich in der katholischen Sollbrüggen-Grundschule eingeschult. Meine Schultüte zierte der Räuber Hotzenplotz, ein Detail, dessen ich mich niemals würde entsinnen können, gäbe es nicht ein Foto von jenem historischen Tage, auf welchem ich zuckersüß in die Kamera schaue. Darauf ist auch zu sehen, dass ich anlässlich meines ersten Schultages einen Jeansanzug trug, den unsere Nachbarin Karin extra für mich bei Quelle bestellt hatte.


Dieser erste Schultag war ein guter Tag! Meine Mutter nahm mich an der Hand und wir gingen den Schulweg gemeinsam. Er war nicht weit. Aufmerksam lauschte ich ihren eindringlichen Anweisungen, als sie mir erklärte, wie ich mich an der großen Straße an der Ampel zu verhalten habe. „Du darfst nur über die Straße gehen, wenn es grün für Dich ist! Und sieh trotzdem nach, ob auch kein Auto kommt!“ Ich hörte ihr sehr aufmerksam zu, auch wenn ich schon oft alleine Ampeln überquert hatte und insbesondere diese.
Aber die Überquerung der Uerdinger Straße war dann auch schon die einzige Gefahrenstelle auf dem Weg zur Schule. Danach waren es nur noch ein paar Meter auf dem Bürgersteig am saftigen Grün des Sollbrüggenparks vorbei und dann, an einer Ecke, stand sie schon: Die Schule.


Um einen asphaltierten Schulhof herum standen zwei Gebäude. Das zur linken Seite war etwas älter und aus rotem Ziegelstein. An den Fenstern sah ich bunte Figuren hängen, die Schulkinder aus Pergamentpapier gebastelt hatten. Auf der anderen Seite des Schulhofes war ein viereckiges, moderneres Betongebäude, das wie ein riesiger Würfel aussah. Dort hinein gingen wir.
Drinnen trafen wir auf lauter andere Kinder, die ebenfalls alle an den Händen ihrer Eltern dastanden. Zum ersten Mal betrat ich ein Klassenzimmer. Die Klassenlehrerin erzählte uns und den beiwohnenden Eltern, welche Schulhefte und Materialien benötigt würden, der Stundenplan wurde vorgestellt und ein paar Schulbücher wurden verteilt. Meine Mutter kaufte mir noch am selben Nachmittag einen orangefarbenen Ledertornister und dort hinein kamen alle Schreibhefte und Stifte und die schweren Bücher, welche sie zuvor in dicke, bunte Plastikfolie eingeschlagen hatte, denn schließlich mussten die Lehrbücher ein paar Schülergenerationen lang halten. Und so ausgerüstet und instruiert begann nun also für mich die Schulzeit.
Aber halt! Das Schulbrot fehlte noch. Im besten Fall war das ein Doppeldecker mit Nutella. Meine Mutter würde also eine Scheibe frischen Graubrotes mit Butter bestreichen und darüber noch Nutella, es zuklappen und es in Papier einschlagen. Mit dieser Zugabe war der Tornister aber nun wirklich vollständig gepackt. Ein, zwei Mal brachte meine Mami mich noch zur Schule und irgendwann durfte oder musste ich dann alleine gehen. Auf dem kurzen Weg gesellten sich immer mehr Schulkinder dazu, sie strömten aus allen Himmelsrichtungen auf die kleine Schule zu. Die meisten hatten einen großen viereckigen Scout-Tornister auf dem Rücken mit Reflektoren und so.


„Das ist ein „U“!“ sagte die Lehrerin und malte es mit einer leichten und schwungvollen Bewegung und dem klackenden und schleifenden Geräusch der Kreide an die Klapptafel. Wir beobachteten sie dabei ganz genau, denn wir würden in Kürze genau diesen Buchstaben in unsere Hefte schreiben müssen. Gebannt verfolgte ich, wie der weiße Strich sich zu einem Buchstaben formte. An meinem winzigen, hölzernen Pult sitzend sprach ich, mit den Anderen im Chor, den Laut nach. „Uuuuuuh!“ wie „Uhu!“ Dann malte ich ihn mit dem Wachsmalstift in mein großes Schreibheft. Mit einem kleinen schmatzenden Geräusch löste sich der Stift von dem Papier als ich absetzte. Und die Lehrerin schritt hinter uns durch die Reihen und flüsterte ihre Kommentare in die Kinderohren:“Sehr gut!“, „Schön!“ oder „Mach‘s nochmal!“ Wir lernten das Schreiben in geschwungener Schreibschrift, die wir, Buchstabe für Buchstabe, Tag für Tag, mit den Stiften in unsere Schreibhefte abmalten. Als Hausaufgabe malten wir dann die mit kleinen Schlaufen an ihren Enden verschnörkelten Buchstaben noch viele Male akkurat nach, fein säuberlich in die vierreihigen Zeilen des Schreibheftes, deren Hilfslinien uns helfen sollten, dabei die richtigen Proportionen einzuhalten. Das erste Wort, welches ich auf diese Art zu schreiben lernte war: „Hut“. Allein das große „H“ war ein einziges Kunstwerk aus geschweiften Schlaufen und geschwungenen Schlingen. Wenn es mir gut gelang, machte es mich ähnlich stolz, wie meine erste Fahrradfahrt.


Allmorgendlich, wenn die Klassenlehrerin den Raum betrat, hatten wir aufzustehen und wir begrüßten sie im einhelligen Chor:“Guten Morgen, Frau Lehrerin!“ Und dann beteten wir stehend das „Vater unser“, beziehungsweise sagten wir es auf. Ich verstand größtenteils gar nicht, was ich da sagte. Es waren seltsame Worte. Irgendwas mit „Gib uns Brot!“ kam darin vor. „Ja, war Gott denn auch ein Bäcker?“ Als ungetauftes, konfessionsloses Kind hatte ich keine Ahnung, was diese Gebete bedeuten sollten. Ich sprach es nach, ohne
zu wissen, was ich da sagte.


Auf dem Pausenhof hüpften die Mädchen beim Gummitwist und die Jungs jagten sich beim Fangen. „Kleck!“ wurde dauernd gerufen und „Hab Dich!“ Andere liefen an Strohhalmen saugend, die in kleinen Papp-Packungen steckten umher, denn es gab für jeden von uns zur großen Pause eine Milch. Neben der Vollmilch stand noch Kakao oder Erdbeermilch zur Auswahl, oder aber, und dies war meine Wahl, Bananenmilch. Das war die neueste Variante im Schulmilch-Angebot und sie schmeckte so unsagbar künstlich nach Banane, dass es eigentlich mit dem Geschmack einer Banane nicht viel gemein hatte, aber das konnte mich nicht davon abhalten, diesen süßen Geschmack nur umso mehr zu lieben.


Ich habe keine schlechten Erinnerungen an die Grundschule und so absolvierte ich sie gern und gänzlich ungetrübt. Bis auf eine einzige Ausnahme. Diese Ausnahme hieß: Frank Dowitz. Er war der Klassenrüpel. Er war diese Sorte Kind, die einen Groll von zuhause mitbrachten und auf dem Schulhof nach Blitzableitern dafür suchten. Der klassische „Bully“, wie die Amerikaner diesen Typus nennen. Es war nur eine Frage der Zeit, wann er seine Bösartigkeit auch an mir ausprobieren würde. Und tatsächlich kam sehr bald schon jene große Pause, in der er mich aus seinen missmutigen Augenschlitzen heraus erspähte. Ihm missfiel wohl meine Freude, die ich an einem gefalteten Papierflieger hatte, den ich über Pausenhof gleiten ließ, und dem ich fröhlich hinterherrannte. Beim nächsten Landepunkt war Frank schneller und ich sah hilflos mit an, wie sein Fuß sich auf meinen Flieger senkte. Genüsslich zerstampfte er ihn. Der Junge war böse. “Warum machst Du das?” fragte ich ihn entsetzt. “Weil ich es will!” antwortete er nur ganz cool. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Seine Boshaftigkeit erschreckte mich. So etwas kannte ich bisher nicht.
Als er merkte, dass ich mich von seiner Dreistigkeit einschüchtern ließ, war er zufrieden, denn er hatte ein weiteres Opfer gefunden. Somit demütigte mich immer mal wieder, wenn ihm der schlechte Sinn danach stand und auf diese Weise suchte er wohl meine Grenze. Mangels Mut und aus Ratlosigkeit ließ ich ihn gewähren. Manchmal passte er mich auf dem Heimweg ab und piesackte mich dann. Er schubste mich ein wenig herum und war frech und gemein, drohte und schüchterte mich ein.


Die kleine Blechdose mit Wachsmalstiften wurde bald durch ein Federmäppchen abgelöst. Ein solches war eine famose Sache. Meines war, wie die meisten Modelle zweigeteilt: Es hatte zwei Fächer die ringsrum mit einem Reißverschluss zu schließen waren. Auf der einen Seite waren Bunt- und Filzstifte zu finden, die alle nach Farben sortiert waren und mit einzelnen Gummischlaufen in ordentlicher Reihe gehalten wurden. Das zweite Fach war für das Geodreieck, Lineal, Radiergummi, Anspitzer und den Füller vorbehalten. Der Füller war nun unser Schreibgerät! Auch er war ein wunderliches Dingen, das man aufschrauben konnte um kleine Plastikpatronen mit Tinte hineinzuschieben. Von da an gab zwei Sorten von Schülern: Diejenigen die einen Füller der Marke „Geha“ hatten und jene, die ein Modell des Herstellers „Pelikan“ bevorzugten. Ich war ein „Geha“- Mann! Durch ein kleines Fensterchen, das wie ein rundes Bullauge auf halber Höhe des Schreibers saß, konnte man schauen, ob noch genug Tinte im Füller war. Mein Füller war für mich sowas wie eine kleine Rakete. Ich ließ ihn vom Pult abheben und in den Weltraum des Klassenzimmers starten. Von hinter dem Bullauge könnte ich die Welt von oben sehen, wenn ich als winziges Männlein in der Füllerrakete sitzen würde. Wie toll wäre das? Als Frau Adamsen unsere Lehrerin sagte: “Sven! Könntest Du bitte aufpassen?”, war der Ausflug ins Weltall jedoch gleich wieder abrupt beendet. Ja, ein Füller war eine tolle Sache, aber noch viel faszinierender war die magische Wunderwaffe, die mit dem Zeitalter des Füllfederhalters einherging und gleich neben ihm im Federmäppchen zu finden war: Der Tintenkiller! Hier betraten wir das Wunderland der Magie! Mit diesem Wunderstift war es möglich, dereinst Geschriebenes gleich wieder unsichtbar werden zu lassen. „Zauberei!“ dachte ich. Mit der anderen Seite des Tintenkillers war es wiederum möglich, erneut über das „Ausgekillerte“ zu schreiben. Diese Korrektur blieb dann jedoch für immer und war nicht erneut korrigierbar. Der Tintenkiller war für mich genauso toll wie Ladykracher und Knallfrösche. Bei Klassenarbeiten war das „Killern“ jedoch verboten! Ein falsch geschriebenes Wort hatte durchgestrichen und neu geschrieben zu werden.


So lernten wir Wort um Wort. Satz um Satz. Oder wir lernten die Sprache dadurch, dass wir laut aus unseren Schul-Lesebüchern vorlesen mussten. Abwechselnd nahm Frau Adamsen uns der Reihe nach dran. Es fiel uns unterschiedlich leicht. Manche schafften es nur langsam und stockend aus den gedruckten Buchstaben ein gesprochenes Wort zu formen, Anderen gelang es müheloser. Mit dem Finger unter den Worten entlangfahrend, lasen wir auf diese Art die Kurzgeschichten aus dem Schulbuch vor. Das war ein schönes Fach, fast wie eine Märchenstunde. Ich fand die Geschichten meistens ganz gut. Zum Beispiel wie der Pfannkuchen „Kantaper, kantaper“ in den Wald rollte. Es war mitunter aber durchaus eine Geduldsprobe und Herausforderung nicht vorzusagen, wenn ein Klassenkamerad im Buchstabensalat hoffnungslos steckenblieb und dabei in eine Art gestotterte Zeitlupe verfiel. Ich biss mir auf die Zunge und hielt die Luft an, um nicht das Wort, an dem er zu ersticken drohte, in den Klassenraum zu rufen! Manche Mitschüler drucksten, schnauften und schwitzten derart gequält an den Worten herum, als säßen sie bei einem großen Geschäft auf dem Klo. Aber so sehr sie auch drückten und quetschten, es wollte nicht recht herauskommen. Oder was herauskam, ergab keinen Sinn, oder es war erkennbar geraten. So hatte jeder seine Eigenart und sein ganz eigenes Tempo darin, sich mit der Sprache in geschriebener Form anzufreunden.
Wie gut wir alles gelernt und verstanden hatten, konnten wir bei den Klassenarbeiten beweisen. Bei absoluter Stille im Klassenraum schrieben wir mit vor Konzentration herausgepressten Zungenspitzen unsere Diktate oder Aufsätze. Ich war kein Streber, aber insgesamt ein ganz guter Schüler, denn es machte mir größtenteils richtig Spaß diese Dinge zu lernen. Im Unterricht reckten wir unsere Arme in wildem Wettbewerb in die Luft, um uns zu „melden“, wenn wir anzeigen wollten, dass wir zumindest in bestem Glauben daran waren, beispielsweise eine Rechenaufgabe oder irgendeine andere Frage des Lehrers richtig beantworten zu können. Dabei mit den Fingern zu schnipsen, um die Aufmerksamkeit des Lehrkörpers auf sich zu lenken, war hierbei nicht gerne gesehen. “Nicht schnippen bitte!” ermahnte Frau Adamson des Öfteren, aber dennoch kam es im Zuge des überschäumenden Lerneifers immer wieder vor. Besonders wenn man, ganz ergriffen von der Begeisterung über die eigene Denkleistung, sich so reckte, dass man fast vom Stuhl abhob, weil man unbedingt drankommen wollte. Die Arme wurden dann so entschieden mit erhobenem Zeigefinger in den Raum gehoben, dass sich die jungen Schultern den vor Erregung roten Ohren näherten. Manche riefen auch:”Ich weiß es! Ich weiß es!”. Oft brachten wir eifrigen Schüler dabei auch seltsame Kehllaute hervor, die eine Art strebendes Stöhnen waren, ein Junken, das bedeuten sollte:“ Ich weiß es! Nimm mich dran!“ Die Mädchen mit ihren Haarspangen und Zöpfen benahmen sich meist gesitteter, schmollten aber gelegentlich, wenn sie wegen schnipsender und zappelnder Jungs nicht aufgerufen wurden. Das Lernen machte jedenfalls Spaß.

Aus: „Umwege. Die innere Reise. Band 1: Der Königssohn